Wolfgang Uellenberg van Dawen: Fünf Jahre „Hanau“
Wir veröffentlichen das Manuskript der Rede von Wolfgang Uellenberg van Dawen, die er am 19.2.2025 auf dem Wiener Platz in Köln zum fünften Jahrestag der rassistischen Attentate in Hanau gehalten hat.
Seit mehr als dreißig Jahren durchzieht eine blutiges Spur rechtsextremer und rassistischer Gewalt dieses Land.
Schon vor er deutschen Einheit brannte das Haus einer migrantischen Familie in Duisburg, aber mit der deutschen Einheit sahen sich in Ost wie in Westdeutschland Rassisten aller Altersklassen ermutigt, gegen Migranten, ob Vertragsarbeiter in der DDR aus Vietnam und Mosambik oder migrantische Menschen in Westdeutschland, zu pöbeln und zu randalieren.
Hoyerswerda und Rostock im Osten stehen für kollektive Gewalt, einer Gewalt, der die Staatsmacht wich. Mölln und Solingen für die Ermordung von Menschen mit internationaler Familiengeschichte. Amadeo Antonio hießt das erste Opfer rassistischer Gewalttäter nach der Wiedervereinigung, Oury Jalloh verbrannte in Dessau in seiner Zelle – wer dafür die Verantwortung trägt, ist bis heute offizielle noch nicht geklärt. Aufklärungsbedarf gibt es nach wie vor für die Mordserie des NSU, auch für das offensichtliche Polizeiversagen in Hanau und in Halle.
Es ist nicht mehr so, dass rechtsextreme Gewalt geleugnet wurde. Das Bundeskriminalamt vermeldet eine Höchstzahl von 41,406 rechtsextremistisch motivierten Straftaten und davon sind 1443 Gewaltdelikte. Wann, wenn nicht jetzt müsste die Bundesregierung, müssten die Landesregierungen umsteuern. Sich mit aller Kraft dem Rechtsextremismus entgegenstellen. Sie müssten gemeinsam mit der Zivilgesellschaft diese Gewalt und vor allem eine seiner wesentlichen Ursachen bekämpfen – und das ist der alltägliche Rassismus. Dem Denken, Reden, in unsozialen Netzwerken aber auch in privaten und mittlerweile auch öffentlich rechtlichen Medien verbreitete rassistische Vorurteil entgegentreten, dass nicht die Täter sondern die Opfer die Gefahr sind.

Dr. Wolfgang Uellenberg van Dawen spricht zum Antikriegstag. Alter Markt, Köln, 31.8.2019. Foto: © Klaus Reinhard Müller (CC BY-SA 4.0).
Rassismus, Abwertung, das Gerede von der Ausländerkriminalität, von der Überflutung unserer Gesellschaft durch Menschen anderer Kultur, von der Flüchtlingskrise und den Flüchtlingsströmen und dieser völlig irreführende Begriff der irregulären Migration, die es zu bekämpfen gelte – das ist es , was Rassisten ermutigt, zu hetzen, zu hassen, zu verletzen und zu töten.
Aber das Gegenteil geschieht in diesem Wahlkampf. Die Attentate von Mannheim, Solingen, Magdeburg, Aschaffenburg und München sind unentschuldbar. Und wir alle empfinden Mitgefühl und Trauer für die Opfer und ihre Familien, darunter Menschen mit internationaler Familiengeschichte. Und wir verlangen schnelle und umfassende Aufklärung. Aber was überhaupt nicht geht, ist die schnöde und gemeine Instrumentalisierung dieser Taten für den Wahlkampf.
Niemand wäre doch auf die Idee gekommen, alle jungen Thüringer für die Morde der NSU verantwortlich zu machen, aber Friedrich Merz weist pauschal allen Menschen aus Syrien und Afghanistan die Verantwortung dafür zu und will niemanden mehr aus diesem Staaten mehr ins Land lassen. Nach Solingen stand nicht Aufklärung des Versagens der Behörden auf der Tagesordnung, sondern ein gigantisches Sicherheitspaket der Schwarz-Grünen Landesregierung, um soviel Abschiebungen zu organisieren, wie es irgend möglich ist. Nach dem Attentat von Aschaffenburg, dem ein zwei jähriges muslimisches Kind aus Marokko zum Opfer fiel, machten sich Merz und Lindner mit den Rassisten der AfD und den Neurassisten des BSW gemein, um im Bundestag einen Plan zur Vertreibung Geflüchteter beschließen zu lassen, der Europäisches und internationales Recht bricht, und wenig später ein Gesetz durchzudrücken, das jeden weiteren Familiennachzug ein für allemal untersagt hätte.
Nach dem Anschlag auf die Demonstrierenden Kolleginnen und Kollegen meiner Gewerkschaft ver.di in München hat selbst die eindringliche Bitte des Vorsitzenden der Gewerkschaft ver.di Frank Werneke und des Ehemanns der von dem Attentäter in München getöteten Familienangehörigen, diese grausame Tat nicht für den Wahlkampf zu instrumentalisieren, nichts genützt. Politiker*innen eilen zu den Tatorten von München, Aschaffenburg, Magdeburg und Solingen, aber nach den Worten des Gedenkens an die Opfer ertönen immer schrillere Forderungen nach Abschiebungen, Zurückweisungen an den Grenzen, Verschärfungen des Asyl- und Aufenthaltsrechts.
In diesem monothematischen Wahlgetöse gehen auch viele Forderungen und Anliegen der Menschen unter, die eine internationale Familiengeschichte haben und zunehmend verunsichert und auch verängstigt sind. Nutznießer wird die AfD sein, denn die Menschen die offene Ohren für rassistische Ressentiments, Vorurteile und Ängste haben, entscheiden sich meist für das Orginal, da können demokratische Politiker noch so viel von Abschiebungen reden und diese sogar organisieren. Alles vergeblich. Das einzige, was hilft, ist eine Wende in der Migrationspolitik. Das was unser Bündnis „Köln zeigt Haltung“ fordert, dessen Mitglied der Runde Tisch für Integration und die DDIF und viele andere Organisationen und Menschen in Köln sind:
- Aufnehmen statt Abschotten
- Hierbleiben statt Abschieben
- Solidarität statt Hetze
Dafür müssen wir gemeinsam weiter kämpfen.
Wolfgang Uellenberg van Dawen ist Vorsitzender des Runder Tisch für Integration e. V. in Köln.