Nach Berufungsprozess wegen zivilem Ungehorsam auf Atombomben-Stützpunkt: Friedensaktivist regt Normenkontrollverfahren zur „Nuklearen Teilhabe“ an

Weimar / Koblenz, 19.5.2024. Das Landgericht Koblenz bestätigte am 16.5.2024 in einem Berufungsverfahren die Verurteilung des Weimarer Atomwaffengegners Johannes Wollbold zu 60 Tagessätzen und erklärte, die Grundgesetzwidrigkeit der sogenannten Nuklearen Teilhabe Deutschlands sei nicht im Rahmen des Strafrechts zu klären.

Der Theologe, Mathematiker und Deutschlehrer Wollbold hatte am 8. Mai 2023 mit weiteren sieben Aktivist*innen auf dem Bundeswehr-Flugplatz Büchel (Eifel) gegen die dort befindlichen rund zwanzig US-Atombomben und die Praxis der „Nuklearen Teilhabe“ Deutschlands am US-Atomwaffenprogramm protestiert. Die gewaltfreie Aktion beinhaltete auch die Übergabe von Informationsmaterial und Gespräche mit Bauarbeitern, die an der Erweiterung der Start- und Landebahn für die von der Bundesregierung in den USA bestellten atomwaffenfähigen F35-Kampfbomber arbeiteten. Die Aktivisten waren durch das offen stehende Tor auf das Bundeswehrgelände gegangen.

Vor Gericht hatte der Friedensaktivist erklärt, er wolle das ihm Mögliche tun, um die permanenten kriegerischen Konfrontationen zu beenden, die er seit dem Vietnamkrieg erlebe.

Ich will zur Verständigung der Völker und Nationen beitragen und die militaristische Struktur unserer Außenpolitik abbauen, die zudem mit dem Risiko eines Atomkriegs spielt und diesen aktiv vorbereitet. Diese Politik steht im Widerspruch zum Friedensgebot des Grundgesetzes und der Menschenwürde. Atombomben sind Massenvernichtungswaffen, die Zivilisten wie Soldaten unterschiedslos treffen,

erläutert der 65-Jährige. Deutschland verletze das Völkerrecht, besonders den Atomwaffensperrvertrag von 1970. In seinem Vortrag vor Gericht bezog er sich auf die Friedensgebote der Präambel, von Art. 1 (2), Art. 24 (2) und Art. 26 (1) des Grundgesetzes (GG), auf das Verbot von Unmenschlichkeit nach Art. 1 (1) GG und die vorrangige Bindung der Gesetze und aller Bewohner des Bundesgebiets an das Völkerrecht in Art. 25 GG. Außerdem ging er auf die Definition der Bundeswehr als Verteidigungsarmee nach Art. 87 GG ein.

Daher beantragte er, vor einem Urteil ein Vorlageverfahren beim Bundesverfassungsgericht anzustrengen. So könnten

klare Richtlinien und Schranken für die Drohung mit oder den Einsatz von militärischer Gewalt entstehen.

Die Richterin schloss sich jedoch der bisher herrschenden Rechtsauffassung an. Wollbold hatte sich auf einen rechtfertigenden Notstand nach §34 Strafgesetzbuch berufen, nämlich eine „gegenwärtige, nicht anders abwendbare Gefahr“ für die Rechtsgüter Frieden, Leben und Völkerrecht, sowie eine direkte Wirkung der Aktion zivilen Ungehorsams. Dass mildere Mittel wie Petitionen oder Demonstrationen versagt hätten und ziviler Ungehorsam notwendig zur Gefahrenabwehr sei, sah das Gericht nicht als erwiesen an.

Johannes Wollbold fordert daher:

Die existenzielle Frage, dass die Bundeswehr vernichtende Atomwaffeneinsätze plant und übt, muss endlich einmal direkt juristisch bewertet werden. Daran interessierte Bundestagsabgeordnete oder die Landesregierung von Rheinland-Pfalz sollten ein Normenkontrollverfahren nach Art. 93 (1) Nr. 2 GG beim Bundesverfassungsgericht einreichen. Unabhängig von ihrer persönlichen Überzeugung und fraktionsübergreifend. Gerade zu Zeiten eines Kriegs in Europa, von dem niemand weiß, welche Stufen der Eskalation noch zugelassen werden.

Wollbold kann Revison gegen das Urteil beim Oberlandesgericht Koblenz einlegen.

Vier Männer und eine Frau halten Transparente mit Aufschriften wie "Für eine legale Möglichkeit der Verhinderung von Massentötungsübungen" oder "Atomwaffenverbotsvertrag ratifizieren jetzt!" und "Atomwaffen sind völkerrechtswidrig". Im Hintergrund städtische Wohn- und Verwaltungsgebäude.

Mahnwache vor dem Prozess von Johannes Wollbold (2. v. r.) am Landgericht Koblenz, 16.5.2024“ (Foto: Gudrun Bonk)

Pressemitteilung als pdf zum Download.

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