Amtsgericht Cochem verurteilt Friedensaktivistin Ariane Dettloff wegen „Go-In“ auf den Atomwaffenstandort Büchel (Eifel)
Amtsgericht Cochem verurteilt „Go-In“ auf den Atomwaffenstandort Büchel (Eifel)
Friedensaktivistin und Journalistin Ariane Dettloff, 77 J., fordert den Abzug der US-Atomwaffen aus Büchel und den Beitritt Deutschlands zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag
Cochem / Köln, 12.4.2021. Das Amtsgericht Cochem verurteilte die 77-jährige Kölner Friedensaktivistin und Journalistin Ariane Dettloff heute zur Zahlung von 40 Tagessätzen, ersatzweise Haft, wegen „gemeinschaftlichem Hausfriedensbruch“ und „gemeinschaftlicher Sachbeschädigung“ auf dem Atombomben-Stationierungsort Büchel (Eifel) und folgte damit dem Antrag der Staatsanwältin. Die Beklagte legte Berufung ein.
Dettloff hatte am 30.4.2019 gemeinsam mit sechzehn weiteren Menschen das Bundeswehr-Gelände betreten und dazu zwei Sicherheitszäune überwunden. Mit einem „atombombenfreien Picknick“ und einem „Sit-In“ unterbrach die Gruppe „Büchel17“ den Übungsbetrieb des Luftwaffengeschwaders 33 der Bundeswehr, der auch Atomkriegsübungen umfasst. Sie verlangte den Abzug der US-Atombomben aus Deutschland und den Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen, der am 22.1.2021 in Kraft trat.
Schon am 23.7.2018 hatte die Pazifistin gemeinsam mit sechs Mitstreiter*innen den militärischen Flugbetrieb der für den Atombomben-Abwurf ausgerüsteten Bundeswehr-Tornados unterbrochen. Die Gruppe sang auf der Startbahn des Bundeswehr-Flugplatzes Büchel Friedenslieder und streute Blumensamen, um ihrer symbolischen Forderung nach „Saatbomben statt Atombomben“ Ausdruck zu verleihen.
Ihren gewaltfreien Zivilen Widerstand gegen die völkerrechtswidrige Stationierung von Atombomben in Deutschland rechtfertigte Dettloff heute vor Gericht mit der unmittelbaren und gegenwärtigen Gefahr durch die Atombomben, die einen „rechtfertigenden Notstand“ darstelle. Atomwaffen seien Angriffsziele. Jederzeit könne es zu einem „Atomkrieg aus Versehen“ kommen. Seit 1997 habe es über 40 Computer-Irrtümer in diesem Zusammenhang gegeben. Einen Beweisantrag hierzu lehnte das Gericht als „ohne Bedeutung“ ab. Der Informatiker Karl Hans Bläsius hätte als Zeuge die Gefahr durch Computerfehler in militärischen Frühwarn- und Entscheidungssystemen belegen können.
Unsere Aktion Zivilen Ungehorsams halten wir für ein angemessenes und auch sehr mildes Mittel angesichts der Grausamkeit der in Büchel bereitgehaltenen Atomwaffen,
erklärte die Angeklagte. Sie forderte die Staatsanwältin auf, das fortgesetzte Unrecht der Atomwaffenstationierung in Büchel zur Anklage zu bringen. Dettloff verlangte die Erfüllung des Atomwaffensperrvertrags (Non-Proliferation Treaty, NPT) vom 5. März 1970. Sowohl die „Nukleare Teilhabe“ als auch die Weigerung der Atomwaffenstaaten, ihre Arsenale abzurüsten, verstießen gegen den Vertrag, erläuterte sie. Stattdessen plane jedoch die Verteidigungsministerin die Anschaffung neuer Trägerflugzeuge für die Atombomben in Büchel. Und die Bomben sollten „modernisiert“ werden, ausdrücklich, um sie „besser einsetzbar“ zu machen.
Laut der US-amerikanischen „Nuclear Posture Review“ sind sie sogar auch für einen Erstschlag vorgesehen.
Der in Büchel täglich von deutschen Soldaten mit US-Bomben geübte Atomkrieg ist ein Verbrechen an der Menschheit – sich dagegen aufzulehnen sollte Bürgerpflicht sein,
so Ariane Dettloff. Als Mitglied der DFG-VK (Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner*innen e. V.) sehe sie sich aufgerufen, alles ihr Mögliche zu tun, um einen nuklearen Holocaust abzuwenden.
Darin sieht sie sich bestätigt durch den Offenen Brief von 56 ehemaligen UN-Politikern, Staats- und Regierungschefs sowie Außen- und Verteidigungsministern aus NATO-Staaten, Japan und Südkorea.
Mit fast 14.000 Atomwaffen an Dutzenden von Orten weltweit ist das Zerstörungspotential weit jenseits unserer Vorstellungskraft. Alle verantwortlichen Entscheidungsträger müssen jetzt handeln, um sicherzustellen, dass sich die Schrecken von 1945 niemals wiederholen. Früher oder später wird unser Glück uns verlassen – wenn wir nicht handeln. Es gibt keine Heilung für den Atomkrieg. Prävention ist unsere einzige Chance,
heißt es darin.
Richter Fleckenstein erklärte mit Blick auf die Ausführungen der Beklagten:
Das Unrecht möchte ich nicht in Abrede stellen.
Er würdigte die „hehren Absichten“ der Beklagten, folgte aber in seinem Urteil dem Strafantrag der Staatsanwältin.
Unterstützt wurde Dettloff u.a. auch von der friedenspolitischen Sprecherin der Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag. In ihrem Grußwort schreibt Kathrin Vogler:
Die Bevölkerung wünscht sich ein atomwaffenfreies Deutschland. Es ist ein Skandal, dass sich deutsche Soldaten dennoch darauf vorbereiten, einen Atomkrieg zu führen. Aber es braucht mutige Aktionen wie eure, damit das Thema in der Öffentlichkeit gehalten wird.
Ariane Dettloff: Einlassung vor dem Amtsgericht Cochem am 12.4.2021 (Es gilt das gesprochene Wort.)