„Widerständige Alte“ gegen Atomwaffen: Berufungsprozess in Koblenz am 19.2.2020
„Widerständige Alte“ mit Zivilem Ungehorsam für Abzug der US-Atomwaffen und Beitritt Deutschlands zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag
Berufungsprozess in Koblenz am 19.2.2020 ab 10:00 Uhr gegen fünf Senior*innen wegen „Go-In“ auf die Startbahn des Bundeswehr-Flugplatzes Büchel (Eifel)
Köln/Erlangen/Nürnberg/Hilpoltstein/Lübtheen, 16.2.2020. Auf einen Freispruch hoffen die fünf „Widerständigen Alten“ (zwischen 67 und 79 Jahren), die am zweiten Verhandlungstag am 19. Februar 2020 im Berufungsverfahren vor dem Landgericht Koblenz ihren gewaltfreien Zivilen Widerstand gegen die Stationierung von Atombomben in Deutschland rechtfertigen werden.
Die Beklagten fordern, die Bundesregierung solle den Atomwaffensperrvertrag (Non-Proliferation Treaty, NPT) einhalten und den 2017 beschlossenen Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen unterzeichnen. Dazu beriefen sie sich auf die Menschenrechte, das Völkerrecht und das Grundgesetz und führten ethische, theologische, medizinische und psychologische Argumente an. In Büchel werden nach übereinstimmenden Presseberichten etwa zwanzig US-Atombomben B61 gelagert, die jeweils über eine vielfache Sprengkraft der 1945 in Hiroshima und Nagasaki explodierten Bomben verfügen.
Das Amtsgericht Cochem verurteilte fünf Mitglieder der Gruppe am 12.12.2018 wegen Hausfriedensbruchs zu 30 (in einem Fall 60) Tagessätzen. Unter den Beklagten sind Mitglieder der „Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen“ (DFG-VK), der „Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs – Ärzte in sozialer Verantwortung“ (IPPNW), der katholischen Friedensorganisation „pax christi“, des „Forum Friedensethik in der Evangelischen Landeskirche in Baden“ und der Quäker.
Angeklagt sind: Ariane Dettloff, Journalistin aus Köln; Susanne Großmann, Grundschullehrerin aus Erlangen; Brigitte Janus, Ärztin aus Nürnberg; Herbert Römpp, Diakon aus Hilpoltstein und Ernst Ludwig Iskenius, Arzt aus Lübtheen.
Pressekontakt
Stefanie Intveen, stefanie.intveen@web.de, 0151 56094920
Gerichtsverhandlung und Mahnwache
Dienstag, 19.2.2020, 10:00 Uhr,
Landgericht Koblenz, Karmeliterstraße 14, 56068 Koblenz, Saal 48
Mahnwache ab 9:00 Uhr vor dem Gerichtsgebäude
Weitere Hinweise
- Bericht von SWR Aktuell Rheinland-Pfalz am 4.2.2020 um 19:30 Uhr [Video verfügbar bis 3.2.2021]
- „Wir machen weiter“ – „Widerständige Alte“ vor Gericht – ziviler Ungehorsam bis zur atomaren Abrüstung. Flyer zum 2. Verhandlungstermin am 19.2.2020
- Herbert Römpp, Hilpoltstein: Einlassung beim Landgericht Koblenz, 4.2.2020
- Ernst-Ludwig Iskenius, Lübtheen: Einlassung beim Landgericht Koblenz, 4.2.2020
- Brigitte Janus, Nürnberg: Einlassung beim Landgericht Koblenz, 4.2.2020
- Susanne Großmann, Erlangen: Einlassung beim Landgericht Koblenz, 4.2.2020
- Ariane Dettloff, Köln: Einlassung beim Landgericht Koblenz, 4.2.2020
Hintergrundinformationen
Die Atomwaffengegner*innen hatten dem Gericht am 4.2.2020 im überfüllten Verhandlungssaal erklärt, warum sie den Atomwaffen-Übungsbetrieb der Bundeswehr durch ihr „Go-In“ auf die Startbahn des Flugplatzes Büchel (Eifel) am 23.7.2018 unterbrachen. Sie beriefen sich auf einen „rechtfertigenden Notstand“ bzw. „Notwehr“ und wiesen insbesondere auch auf die Gefahr eines Atomkriegs aus Versehen hin, wie er beispielsweise durch Computerfehler leicht entstehen kann. Der Sachverständige Prof. Dr. Karl Hans Bläsius, Hochschule Trier, wurde allerdings vom Gericht nicht dazu gehört. Auch alle weiteren Beweisanträge lehnte die 16. kleine Strafkammer ab.
Die insgesamt sieben Friedensaktivist*innen hatten bundesweit Aufmerksamkeit erregt, als sie am 23.7.2018 die militärischen Sicherheitsanlagen des Bundeswehr-Flugplatzes überwanden, auf der Startbahn musizierten und „Blumensamen-Bomben statt Atombomben“ warfen. In Büchel werden nach übereinstimmenden Presseberichten etwa zwanzig US-Atombomben B61 gelagert, die jeweils über eine vielfache Sprengkraft der 1945 in Hiroshima und Nagasaki explodierten Bomben verfügen. Im Kriegsfall sollen Bundeswehrpiloten die Bomben mit Tornado-Flugzeugen zu ihrem Ziel bringen und abwerfen. Deutschland hat sich im Atomwaffensperrvertrag allerdings verpflichtet, die Verfügungsgewalt über Atomwaffen „von niemandem unmittelbar oder mittelbar anzunehmen“.
Aus Sicht der Angeklagten ist Ziviler Ungehorsam ein legales Mittel, um auf gravierende Völkerrechtsverstöße der Bundesrepublik Deutschland hinzuweisen. „Ziviler Ungehorsam, wie wir ihn praktiziert haben, löst zwar einen Konflikt zwischen widerstreitenden Interessen aus, dieses dient aber dem Zweck, ein größeres Unrecht, eine Katastrophe zu verhindern“, erläutert der Arzt Ernst-Ludwig Iskenius, einer der Beklagten.
Der Kölner Bundestagsabgeordnete Matthias Birkwald (Die Linke) erinnerte anlässlich des Verfahrens in einem Brief daran, dass der Bundestag die Bundesregierung am 26.3.2010 aufgefordert hatte, für den Abtransport der US-Atombomben aus Deutschland zu sorgen: „Friedlicher Protest gegen die atomare Bedrohung und der Einsatz für ein Land ohne Atomwaffen dürfen nicht kriminalisiert werden. Eine Aktion, welche bei der Bundesregierung einen nicht umgesetzten Verhandlungsauftrag des Bundestages anmahnt, gehört erst recht nicht auf die Anklagebank.“
Die Angeklagten sind indirekt über ihre Mitgliedschaften bei ICAN, IPPNW oder den Quäkern Friedensnobelpreisträger*innen.
Unterstützer*innen begleiten die Beklagten nach Koblenz. Der öffentlichen Verhandlung geht eine Mahnwache vor dem Gerichtsgebäude voraus.