Beate Hane-Knoll (ver.di): Geld fehlt im Gesundheitswesen – Aufrüstung ist menschenverachtend!
Zusammen mit Kolleginnen und Kollegen setze ich mich für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Personal im Gesundheitswesen ein. Nicht nur in den Krankenhäusern, sondern auch in der Altenpflege und der ambulanten Pflege herrscht erheblicher Personalmangel, der sich negativ auf die Beschäftigten sowie Patientinnen und Patienten auswirkt.
Die Zustände können durchaus als besorgniserregend bezeichnet werden.
Eine angemessene Versorgung der Patient*innen und Bewohner*innen kann oftmals nicht gewährleistet und Hygienestandards können nicht eingehalten werden. Durch Personalmangel müssen Betten reduziert oder sogar Stationen geschlossen werden.
Das Personal ist maximal überlastet und wird oftmals schlecht bezahlt.
Der Personalschlüssel ist unzureichend, Arbeitsschutzgesetze werden missachtet, Ruhezeiten häufig nicht eingehalten. Teilzeitkräfte werden in Vollzeit geplant, Auszubildende werden wie examinierte Kräfte eingesetzt. Auch Angehörige fühlen sich immer wieder überfordert.
Die Situation im Gesundheitswesen verschlimmert sich zusehends, und sie betrifft nicht nur die Pflege, sondern auch den ärztlichen und den sogenannten gewerblichen Bereich mit Beschäftigten in den Küchen, Handwerker*innen, Reinigungs- und weiteren Servicekräften. Sie betrifft nicht zuletzt auch die Patient*innen sowie ihre Angehörigen.
Somit geht die Thematik uns alle an, denn entweder sind wir schon jetzt betroffen oder können dies jederzeit werden.
Die Misere hat politische Ursachen: Jahrelang wurde die Ökonomisierung des Gesundheitswesens vorangetrieben. Dazu gehört die Einführung des DRG-Fallpauschalensystems (Diagnosis Related Groups) im Jahr 2004, das unser Gesundheitswesen nach betriebswirtschaftlichen Kriterien organisiert und den Konkurrenzkampf zwischen den Krankenhäusern hervorgebracht hat.
Das Ergebnis: überall steigt der Kostendruck.
Die Qualität sinkt, weil Arbeitgeber zur Kostenreduktion Personaleinsparungen vornehmen.
Immer mehr Kolleg*innen werden durch die belastende Arbeit krank, flüchten in die Leiharbeit und bleiben nach der Ausbildung nicht lange im Beruf.
In der Altenpflege entscheidet sich am Geldbeutel, ob man am Lebensende „verwahrt“ oder pflegend und aufmerksam begleitet wird!
Die zunehmende Privatisierung, Fusionierung oder Schließung vormals öffentlicher Krankenhäuser stellt die Gesundheitsversorgung, ihre Beschäftigten und die Patient*innen vor ein ernstes Problem: der Druck, „schwarze Zahlen“ zu schreiben und Profite zu machen, gefährdet eine bedarfsgerechte Versorgung.
Die Anzahl der Hebammen, die in den Kreißsälen zur Verfügung stehen, hat drastisch abgenommen, so dass Hochschwangere mit dem Rettungswagen ein anderes Krankenhaus anfahren müssen. Es finden auch nicht alle Schwangeren auf Anhieb eine selbständige Hebamme, die sie betreut, da auch deren Anzahl aufgrund der horrenden Versicherungsbeiträge gesunken ist.
Da ist es mehr als absurd und menschenverachtend, wenn die Bundesregierung die Rüstungsausgaben in den nächsten Jahren fast verdoppeln will. Mindestens 30 Milliarden Euro sollen für Anschaffung von Panzern, Flugzeugen, Waffen usw. ausgegeben, statt in Bereichen investiert zu werden, in denen es dringend erforderlich ist.
Der vielfach zitierte demographische Wandel wird in den nächsten Jahren rasant voranschreiten. Die Anzahl der älteren Menschen, die pflegebedürftig und multimorbid sind, also eine Vielzahl von Erkrankungen haben, wird steigen.
Die Anzahl der jüngeren Menschen wird sinken und derjenigen, die sich für eine Ausbildung im Gesundheitswesen entscheiden, wird noch weiter zurückgehen, wenn die personelle Situation und die Arbeitsbedingungen nicht verbessert werden.
Schon im April 2015 hat ver.di eine Kampagne für mehr Personal im Gesundheitswesen auf den Weg gebracht.
Durch eine bundesweite Befragung in vielen Krankenhäusern wurde ermittelt, wie viele Kolleginnen und Kollegen fehlen. Sage und schreibe 162.000 fehlende Stellen wurden von den Beschäftigten als erforderlich angesehen, um Patient*innen vernünftig versorgen zu können.
In den darauffolgenden Jahren gab es weitere Aktionen, die das Ziel einer gesetzlichen und bedarfsgerechten Personalbemessung in allen Bereichen des Gesundheitswesens zum Ziel hatten.
Voriges Jahr wurde wochenlang in den Unikliniken Düsseldorf und Essen gestreikt, um einen Entlastungstarifvertrag abschließen zu können.
Bei all diesen Dingen geht es um mehr Geld, das ausgegeben werden muss, um eine gute Versorgung von pflegebedürftigen Menschen in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen oder in der ambulanten Pflege zu gewährleisten, die einhergeht mit einer wertschätzenden Bezahlung und verbesserten Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten.
Gesundheit ist keine Ware – der Regierung sollte bewusst sein, dass eine Umkehr der bisherigen Gesundheitspolitik das Gebot der Stunde ist.
Mogelpackungen, wie sie uns von Herrn Spahn und anderen verkauft werden, taugen nichts für eine nachhaltige Verbesserung der personellen Situation. Sie können eher dazu führen, dass die Altenpflegeeinrichtungen personell ausbluten, weil Beschäftigte wegen einer besseren Vergütung in die Krankenhäuser abwandern. Nicht nur die Betroffenen, sondern auch Organisationen wie die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung der Intensiv- und Notfallmedizin kritisieren den halbherzigen Vorstoß seitens des Gesundheitsministeriums. Sie fordern genau wie ver.di bessere Bezahlung, verbesserte Aus- und Weiterbildung, familienfreundliche und planungssichere Arbeitszeiten, um dringend benötigtes Personal zu werben und zu halten.
Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass ausreichend vorhandenes Personal ein entscheidendes Kriterium für Patientensicherheit ist.
Das vorhandene Geld sollte daher nicht in Rüstung, sondern in zivilen Bereichen, wie zum Beispiel der Gesundheitsversorgung eingesetzt wird.
Schaut man auf den aktuellen Bundeshaushalt, wird klar, dass schon jetzt genauso viel Geld für Verteidigung( 43,2 Milliarden) wie für Bildung (18,3), Gesundheit (15,3) und Familie (10,5) zusammen ausgegeben wird.
Investitionen für eine nachhaltige und zukunftsorientierte Gesellschaft sehen anders aus.
Stattdessen werden Feindbilder aufgebaut und immer wieder bedient, um den Rüstungswahnsinn zu legitimieren. Das ist mehr als traurig und macht Politik nicht glaubwürdiger.
Eine Erhöhung der Rüstungsausgaben wird die Welt nicht sicherer machen. Statt aufzurüsten sollte intensiver geredet und verhandelt werden. Ein neuer Rüstungswettlauf bedeutet, dass die Spannungen zwischen Staaten zunehmen und das Risiko einer Eskalation steigt.
Daher müssen wir gemeinsam fordern „Abrüsten statt aufrüsten!“.
Der 2017 gestartete Aufruf mit seinen inzwischen mehr als 140.000 Unterstützerinnen und Unterstützern, macht deutlich, dass die geplante Rüstungsaufstockung auf Widerstand stößt. Es liegt an uns, aktiv zu werden und diesen Widerstand weiter zu verstärken.
In diesem Sinne hoffe ich auf eine erfolgreiche Ostermarschbewegung.