Atomwaffengegner*innen legen beim Amtsgericht Cochem Widerspruch ein
Widerständige Alte klagen Atomwaffenpolitik an
Cochem, 12. Dezember 2018 (Pressemitteilung der Prozessgruppe). Am heutigen Tag sind fünf Friedensaktivist*innen vom Amtsgericht wegen Hausfriedensbruch verurteilt worden. Die Atomwaffengegner*innen haben Widerspruch gegen das Urteil eingelegt.
Am 23. Juli 2018 hatten sieben Menschen im Rahmen der Quäker-Aktionstage den Fliegerhorst unautorisiert betreten, um dort ihren Protest gegen die Übungsflüge der Tornados deutlich zu machen. Täglich wird hier der Abwurf von US-Atombomben geübt. Ziel der Aktion war die Verhinderung eines Starts der Militärmaschinen.
Auf dem Fliegerhorst in Büchel/Eifel sind zwanzig US-Atombomben stationiert, die im Ernstfall unter dem Oberfehl von US-Präsident Trump mit deutschen Piloten ins Zielgebiet geflogen werden sollen.
Unter den fünf Angeklagten befindet sich eine 74jährige Journalistin aus Köln, eine 67jährige ehemalige Grundschullehrerin,eine 67jährige praktizierende Ärztin aus Nürnberg, ein 77jähriger Diakon aus Hiltpoltstein und ein 66jähriger Arzt i.R. aus Rostock. Sie alle leisten nicht nur Zivilen Ungehorsam gegen Atomwaffen, sondern engagieren sich auch in der Flüchtlingsarbeit, bei Pax Christi oder der IPPNW, im Netzwerk Friedenssteuer oder bei den Quäkern.
Gleich zu Beginn erklärten sie in ihren Einlassungen:
Ich räume ein, dass ich bewusst auf die Landebahn gegangen bin, bewusst den militärischen Übungsflug mit meinen Mitteln und mit meinen Möglichkeiten zu unterbinden versuchte und damit Hausfriedensbruch in einem besonderen militärischen Areal, dem Atomwaffenstützpunkt, begangen habe. Ich habe damit weder Personen, noch unser verfasstes Gemeinwesen beschädigt oder in Gefahr gebracht. (Ernst-Ludwig Iskenius)
Der Gedanke an einen Atomwaffeneinsatz erschreckt mich so sehr, dass ich mich über ein Verbot, die Startbahn zu betreten, hinweggesetzt habe. Das Wissen um die Atomwaffen und die Übungen zu deren Einsatz lassen mir keine Ruhe. Ich kann es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, tatenlos diesen Gefahren ins Auge zu blicken. (Susanne Großmann)
Für meine Übertretung des §123 StGB – „Hausfriedensbruch“ – mache ich mein Recht auf Notwehr geltend: „Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden“ und „Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.“, heißt es da. Meiner Auffassung nach ist unsere Regelübertretung als Aktion Zivilen Ungehorsams zur versuchten Abwendung eines vielfach größeren Unrechts angemessen. (Ariane Dettloff)
Am Jahrestag des Nato-Doppelbeschlusses vom 12. Dezember 1979 argumentieren die ungehorsamen Alten vor Gericht, dass die heutige Situation genauso unerträglich sei, wie vor vierzig Jahren:
Der hier in Büchel täglich von deutschen Soldaten mit US-Bomben geübte Atomkrieg ist ein Verbrechen an der Menschheit – sich dagegen aufzulehnen, sollte Bürgerpflicht sein,
so Ariane Detloff.
Herbert Römpp ergänzt:
Meine Lebenserfahrung zeigt mir, dass Appelle bis hin zu Großkundgebungen von unseren politischen Entscheidungsträgern ignoriert bzw. missachtet werden. Sofern es meine nachlassenden Kräfte zulassen, halte ich es für meine Bürgerpflicht, mich weiter an Gewaltfreien Aktionen für die Bewahrung unseres demokratischen Rechtsstaats einzusetzen.
In der gut besuchten Verhandlung vor dem Amtsrichter kritisierten sie den Rechtsbruch durch die Bundesregierung und die Bundeswehr und machten deutlich:
Die fortgesetzte Völkerrechtswidrigkeit der deutschen atomaren Teilhabe kann nur mit Zivilen Ungehorsam beendet werden. Das ist keine Straftat.
Dass die alte Forderung der Friedensbewegung „Entrüstet euch“ immer noch aktuell ist, machte dieser Prozess eindrücklich deutlich. Eine Chance, die Atomwaffenpolitik der Bundesrepublik anzuklagen, war er allemal.
Beendet haben die Friedenskämpfer*innen diesen Prozess mit einem Zitat von Bundespräsident Frank Walter Steinmeier von 2017:
Wir können im Großen wie im Kleinen Ohnmacht und Entfremdung überwinden, wenn wir gemeinsam etwas tun, wenn wir nicht nur nach Verantwortung anderer schauen, sondern auch die eigene erkennen (…). Verantwortung übernehmen, auch für andere (…), gibt uns auch das Gefühl, zu Hause zu sein in diesem Land.
Diese Prozessgruppe hat Verantwortung übernommen.
Pressekontakt: Katja Tempel 0160-4400206, katja.tempel@jpberlin.de