Gewerkschafter Carsten Peters (DGB) zu Friedensradler*innen in Münster: Abrüstung statt Aufrüstung ist notwendig!

Carsten Peters, der Stellvertretende Stadtverbandsvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Münster, fand am 4. August 2018 klare Worte zur Unterstützung der Friedensfahrradtour NRW. Es folgt seine Rede.


Liebe Friedensradfahrerinnen und –radfahrer, liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich begrüße euch im Namen des DGB ganz herzlich in Münster. „Auf Achse für Frieden und Abrüstung, für Klima- und Umweltschutz“ – das ist ein gut passendes und hochaktuelles Motto und zugleich Auftrag.

Ein mittelalter Mann mit Glatze in weißem Hemd und Jeans liest von einem Skript und spricht in ein Mikro. Hinter und neben ihm sind die Aufschrift "Frieden schaffen ohne Waffen!", Friedensfahnen und abgestellte Fahrräder zu sehen.

Carsten Peters, Stv. Stadtverbandsvorsitzender des DGB Münster, begrüßt die Friedensfahrradtour NRW 2018 am 4.8.2018 in Münster. Foto: Stefanie Intveen

100 Jahre ist es in diesem Jahr her – und euer Ankündigungsflyer weist darauf hin –, dass durch Matrosen, die den Krieg, das endlos scheinende Morden nicht mehr mitmachen wollten, der Auftakt für die Novemberrevolution gelegt wurde. Mit dieser Revolution wurde der Krieg beendet. Was nur wenige wissen, ist, dass am 9.11. nicht nur in Berlin, sondern auch in Münster die Republik ausgerufen wurde. Auf dem damaligen Neuplatz, dann Hindenburgplatz und heute Schlossplatz. Der Kollege, der die Republik ausrief hieß Emmerich Düren, ein engagierter Gewerkschafter. Also, willkommen in Münster.

Es gibt Grund genug, heute – und nicht nur heute – auf die Straßen und Plätze zu gehen. Es darf nicht sein, dass weitere 30 Milliarden Euro mehr für Rüstung ausgegeben werden sollen.

Dieses zu verhindern, ist das Ziel der Initiative „Abrüsten statt aufrüsten“, die auch von den Gewerkschaften unterstützt wird und von vielen Kolleginnen und Kollegen bereits unterzeichnet worden ist. DGB und GEW haben den Aufruf auch auf Internet-Seiten angebracht und den Aufruf den Kolleginnen und Kollegen in den Schulen und anderen Bildungseinrichtungen zugänglich gemacht und dafür geworben. Und wir wollen und werden dies auch weiterhin tun, denn vielen Menschen sind die Aufrüstungspläne und ihre Konsequenzen noch gar nicht oder unzureichend bekannt.

Dies betrifft im Besonderen die sozialen, ökologischen und bildungspolitischen Konsequenzen einer Erhöhung der Ausgabenfür die Rüstung um ca. 30 Milliarden €. Es bedeutet in Zahlen:

Der Verteidigungshaushalt soll von der Bundesregierung massiv erhöht werden. Mit 14,5% steigt dieser so stark wie kein anderes Ressort. Bereits für das Jahr 2016 waren die Rüstungsausgaben um 10% gestiegen, 2017 wurden weitere 2 Milliarden Euro draufgepackt, sodass das Budget auf 37 Milliarden Euro anstieg. Bis 2021 soll dieser dann laut Finanzplan auf 42,39 MiIliarden Euro ansteigen.

Zugleich soll jeder entstehende Haushaltsspielraum genutzt werden, um die Bundeswehr aufzurüsten und im gleichen Verhältnis für zivile Krisenintervention – zu dem Thema sage später noch etwas. Nimmt man in diesem Zusammenhang den Haushaltsüberschuss des letzten Jahres von 38,4 Milliarden Euro als Bezugsgröße, würden sich für die gesamte Legislaturperiode weitere Ausgaben für die Bundeswehr in Höhe von etlichen Milliarden ergeben.

Zugleich ist im Koalitionsvertrag festgehalten, dass sich die Bundesrepublik an die NATO- Vereinbarung hält, den Verteidigungshaushalt bis 2024 auf 2 Prozent des BIP zu erhöhen, was je nach Wirtschaftsentwicklung mehr als 70 Milliarden Euro entsprechen dürfte. Mit der Priorisierung der Rüstungsausgaben hat sich die große Koalition ein Instrument geschaffen, mit dem jede Kürzung bei Familien, Bildung, Soziales oder den Renten die Bundeswehr diesem Ziel einen Schritt näher bringt. Noch zwei Hinweise, um vergleichen zu können: Diese 70 Milliarden Euro entsprächen 20% statt bisher 11 % der Gesamtausgaben des Bundes und entspräche etwa den Ausgaben für Gesundheit, Wirtschaft und Umwelt. Dagegen müssen wir uns wehren!

Nur ein Beispiel: Im Bereich Bildung werden für den aktuellen Haushalt Mehrausgaben von 11 Milliarden Euro versprochen, also 2,75 pro Jahr. Jedoch auch hier wird getäuscht, denn diese 11 Milliarden beziehen sich auf den jüngsten Finanzplan der Bundesregierung. Dieser Finanzplan sieht jedoch keine Investitionen, sondern Kürzungen vor. Von 2017 – 21 sollen die Ausgaben um rund eine halbe Milliarde sinken. Rechnet man die zu erwartende Inflationsrate mit ein, kommt so eine erhebliche Kürzung zustande.

Weiteres Beispiel: Soziales und Familien: Zwar werden Mehrinvestitionen für Kindergeld, Kinderpflege und anderes mehr versprochen. Wissen muss man jedoch, dass das Budget des Bundesministeriums für Familien, Jugend, Frauen und Senioren laut dem eben schon zitierten Finanzplan im letzten Jahr um 360 Millionen Euro gekürzt wurde.

Wer noch spürbar mehr Geld bekommt, ist das Innenministerium, das ja jetzt um ein Heimatministerium erweitert wurde: 9 Milliarden mehr für 15.000 neue Sicherheitskräfte, die verbesserte Ausstattung der Polizei, die „Ausweitung der DNA- Analyse“, die „Videoüberwachung an Brennpunkten“ und die „Stärkung und Zentralisierung der Sicherheitsbehörden und Geheimdienste“: neun Milliarden Euro insgesamt.

Was jedoch tatsächlich benötigt wird, sind spürbare Investitionen in Kitas, Schulen, Hochschulen und Weiterbildung, Gesundheit und Pflege, Umwelt, die Rente und preiswertes Wohnen und Investitionen in die Unterstützung und Integration geflüchteter Menschen. Zudem ist die Beendigung der schädlichen Agenda 2010-Politik tatsächlich auf die Agenda zu setzen. Die Rezepte der Agenda 2010, Arbeit billiger zu machen sind grandios gescheitert. Die Folgen sind Niedriglöhne, Altersarmut und prekäre Beschäftigungsverhältnisse u.a. dank Leiharbeit und Werkverträgen.

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften fordern die Bundesregierung dazu auf, endlich umzudenken und mit den EU-partnern eine gemeinsame europäische Strategie der friedenssichernden Konflikt- und Krisenprävention zu erarbeiten. Statt die Rüstungsausgaben massiv aufzustocken, muss eine solche zivile Strategie der Friedenssicherung bei der Ursache von Kriegen und bewaffneten Konflikten ansetzen. In ihrem Mittelpunkt müssen die Ziele einer fairen Gestaltung der Globalisierung und einer gerechten Verteilung des weltweiten Reichtums sowie soziale und ökologische Entwicklungs- und Klimaschutzprojekte stehen.

Wichtig ist jedoch auch, gerade vor dem Hintergrund des politischen Rechtsrucks in Europa: Wenn es keine Zweckbindung zugunsten von Entwicklungsausgaben, Menschenrechtsschutz und Förderung der Demokratie sowie friedenssichernde und –stabilisierende Maßnahmen gibt, werden diese zunehmend hinter die Finanzierung von sog.„sicherheitspolitischen Zielen“ von EU-Ländern zurücktreten. Dazu gehört – wie gesagt angesichts des Rechtsrucks in Europa – die Abwehr von Geflüchteten und Migrant*innen. Auch die Bundesregierung hat 2016/17 für Flüchtlingsunterbringung und Integrationsmaßnahmen im Inland (!!) dem Entwicklungsetat und damit der eingangs beschriebenen 0,7%- Prozent-Zielsetzung für Entwicklungspolitik zugeschlagen. Also: Regierung und Parlament müssen sich der Zweckentfremdung und Instrumentalisierung von Entwicklungspolitik widersetzen und sicherstellen, dass diese vor allem diejenigen vor Ort fördert, denen es an täglicher sozialer, ökonomischer, politischer Sicherheit, an Menschenrechten und politischen Partizipationsmöglichkeiten fehlt.

Und dabei ist Abrüstung statt Aufrüstung der notwendige, der existentielle Weg. Vielen Dank für euer Engagement! Alles Gute für eure Friedensfahrradtour! Alles Gute!

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