Was dem Willkommen folgt
Was dem Willkommen folgt – Zum Flüchtlings-Kalkül der Großen Koalition
Der Begriff „Flüchtlingskrise“ kennzeichnet die momentane Situation in Deutschland nicht zutreffend. Zum einen befinden sich zur Zeit kaum mehr Flüchtlinge – um die eine Mio. Menschen – im Land als etwa 1997. Zum anderen ist die Lage in vielen anderen Ländern und Regionen der Erde bedeutend dramatischer als hierzulande. Weltweit sind etwa 60 Millionen Menschen (Quelle: UNHACR) auf der Flucht. Allein aus Syrien sind über vier Millionen Menschen ins Ausland geflohen, im Land selber sollen weitere acht Millionen auf der Flucht sein bei einer Gesamtbevölkerung von 21 Millionen Menschen. Das ist eine Flüchtlingskrise.
Es sind Rüstungsexport und militärischer und wirtschaftlicher Interventionismus, die Kriege, mit denen vor allen anderen die USA, Deutschland und die Nato die Welt im Interesse der internationalen Konzerne überziehen. „Die Waffenproduzenten stützen korrupte Regime und damit Ausbeutung und Ausplünderung. Eure Fabriken verursachen Flucht“, so der aus Nigeria stammende Flüchtling Rex Osa in der taz v. 20.08.2015.
Seit mehr als zwei Jahrzehnten leiden wir unter massivem Sozialabbau. Frau Merkel ist nicht die erste, die uns gebetsmühlenartig erklärt, dass es zur Austeritätspolitik keine Alternative gäbe. In dieser Situation lässt man einige hunderttausend Flüchtlinge ins Land und die Kanzlerin wird vor allem international als Humanistin gefeiert. Merkel öffnete die Grenzen für die in Budapest Gestrandeten – vorübergehend, versteht sich, wie Vizekanzler Gabriel sich beeilte zu versichern. Am Sonntag, den 13. September ließ der Innenminister de Maiziere Taten folgen und führte Grenzkontrollen zu Österreich ein.
Das am Sonntag, den 06. September von der GroKo vorgeschlagene Paket ist alles andere als ein Umdenken in der Flüchtlingspolitik. Ulla Jelpke, MdB „Die Linke.“, schreibt völlig zu Recht, dass vieles darin den Flüchtlingen eher schade, als dass es ihnen nütze und dass unter dem Deckmantel der Flüchtlingshilfe weitere Verschärfungen im Asylrecht durchgedrückt würden. Letztendlich rückt die Bundesregierung keinen Millimeter von ihrer bisherigen repressiven Linie gegenüber Asylbewerbern ab und verschärft sie sogar.
Das vielleicht einzig Neue ist eine Veränderung in der Frage der Arbeitsaufnahme von Migranten – offensichtlich auf Druck der Unternehmerverbände. Zwei Maßnahmen stechen hervor: Asylbewerbern wird eher erlaubt zu arbeiten, ebenso wie Arbeitsmigranten aus den Westbalkanländern, wenn sie einen Arbeits- oder Ausbildungsvertrag vorweisen.
Die Bundesregierung zielt einerseits erkennbar daraufhin, die syrische intellektuelle Elite „abzuschöpfen“, die als Folge des ausgezeichneten syrischen Bildungssystems entstanden ist. Konkurrenz machen da z. B. die USA und Großbritannien, die ankündigen 10 000 bzw. 20 000 Syrer aufnehmen zu wollen. Andererseits eröffnet man den Unternehmen die Möglichkeit, sich im Billiglohnbereich auf dem Balkan zu bedienen.
In bewährter Weise geschieht dies so, dass man es den Unternehmen möglichst leicht, den Arbeits- und Ausbildungssuchenden möglichst schwer macht. Im Ergebnis wird mit all den neuen Euro-Milliarden keine wirkliche Integrationspolitik betrieben, sondern die neuen Lohnempfänger werden drangsaliert, gegeneinander ausgespielt und somit entweder zu willigen Arbeitssklaven deformiert oder ganz gebrochen.
Und das sind nur die, die man – wie die Masse – nicht nach ein paar Monaten mit einem beschleunigten Asylverfahren aus dem Land drängt. Mit diesem Verfahren verschärft man gleichzeitig die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt und versucht die Arbeiterklasse weiter zu atomisieren. Der rechte Rand kann dann lauthals und populistisch von Ausländern brüllen, die „uns“ die Arbeitsplätze wegnehmen.
Noch wissen die Allermeisten, dass das nicht wahr ist. Die Welle der Hilfsbereitschaft, die den Flüchtigen bei der Ankunft entgegenschlägt, wäre sonst kaum zu erklären. In vielen Städten und Stadtteilen entstehen Strukturen der Hilfsbereitschaft, die nicht ohne Folgen für Bewusstsein und Verhalten der Gesamtbevölkerung bleiben. Hier kann begriffen werden, dass Wohnungsnot und Armut, fehlende Infrastruktur und Behördenwillkür nicht nur Probleme der Neuankömmlinge sind, sondern ganz allgemein ein Krebsgeschwür dieser Gesellschaft.
So verstanden und diskutiert, kann die ehrenamtliche Hilfe für die Flüchtlinge zur Selbsthilfe für alle werden, die das System der Austerität, den neoliberalen Kapitalismus abschütteln und an seine Stelle ein solidarisches Zusammenleben setzen wollen.
In Köln muss man von rund 500 zusätzlichen Flüchtlingen im Monat ausgehen. Dabei wird mit 1.400 fehlenden Plätzen für die Unterbringung von Flüchtlingen bis Ende 2015 gerechnet. Wir sagen entschieden Nein zur Unterbringung von Flüchtlingen in Zelten. Die Verwaltung muss ihre Überlegungen, Flüchtlinge in Zelte unterzubringen, beenden. Alternativ schlagen wir eine Beschlagnahmung von Wohnraum vor. Dabei greifen wir eine Überlegung des CDU Bürgermeisters von Salzgitter Frank Klingebiel auf, der leerstehende Wohnungen beschlagnahmen will, um dort Flüchtlinge unterzubringen. Wir müssen auch in Köln solche neuen Wege gehen. In Köln gibt es einigen Leerstand beispielsweise bei Bürogebäuden.
Geht es nach den Plänen von Innenminister Thomas de Maizière, CDU, landen viele dieser Menschen bald auf der Straße. Er will hunderttausenden Asylbewerber/innen in Deutschland die Leistungen streichen, wenn sie auf ihrer Flucht zuerst ein anderes EU-Land betreten haben. Sie bekämen nur eine Wegzehrung und eine Rückfahrkarte in dieses Land, zum Beispiel nach Ungarn. Die Süddeutsche Zeitung nennt es „die schärfsten Leistungseinschränkungen für Flüchtlinge, die es in der Bundesrepublik je gab.“
Streicht die Regierung nun hunderttausenden Flüchtlingen die Hilfen, tut sie genau das, was die Rassisten wollen: Sie setzt voll auf Abschreckung. Das ist nicht nur menschen-verachtend – sondern löst auch die Probleme kein bisschen. Denn mit der Aussicht, von der ungarischen Regierung mit dem Schlagstock ins Gefängnis geprügelt zu werden, werden sich die meisten für ein Leben auf Deutschlands Straßen entscheiden.
De Maizière steht zur Zeit massiv unter Druck. Das Bundesamt ist bei der Bearbeitung der Asylanträge völlig überfordert. Die unbearbeiteten Asylanträge stapeln sich zu Hunderttausenden. Doch anstatt seine Arbeit zu machen, versucht de Maizière die Asylbewerber/innen jetzt mit der Brechstange loszuwerden – und setzt schutzsuchende Frauen, Männer und Kinder einfach auf die Straße.
Dabei ist die Situation nicht beispiellos: 400.000 Menschen haben seit Jahresbeginn in Deutschland Schutz gesucht – mehr als in den vergangenen Jahren. Aber allein 1992 waren es 700.000, zwischen 1988 und 1993 wurden mehr als 3,1 Millionen Menschen aufgenommen.
Aktuell erleben wir eine Welle an rassistischem Terror auf der Straße, fast täglich kommt es zu Anschlägen auf Geflüchtetenunterkünfte. Von den weltweit 60 Millionen Menschen ist nur ein minimaler Bruchteil, nämlich 175.000, in der BRD angekommen. Die Abschottung der Grenzen Deutschlands und Europas sorgt dafür.
Rassismus ist weder ein Problem der „neuen“ Bundesländer noch irgendwelcher bildungsfernen Spinner, Rassismus ist eine Haltung die sich durch alle gesellschaftlichen Schichten zieht. Ob die von der BRD geschürte Abschottung der EU-Außengrenzen (Frontex, Dublin, …) bei gleichzeitigen Waffenlieferungen in Konfliktgebiete, die faktische Abschaffung des Asylrechts, die Hetzkampagnen von BILD gegen die „faulen Südländer“, literarische Größen wie Sarrazin und Buschkowsky oder eben der PEGIDA-nahe Stammtischrassist mit seinen organisierten Faschisten-Freunden, sie alle eint die chauvinistische Überhöhung des eigenen Selbst.
Aber wo immer Faschisten und Rassisten versuchen, öffentlichen Raum einzunehmen, versuchen Antifaschistinnen und Antifaschisten sich dem entgegen zu stellen. Auch, wenn die Strategien sich über die verschiedenen Jahrzehnte und politischen Spektren unterscheiden. Daher fordern wir:
– dezentrale Unterbringung in Wohnungen oder leerstehenden Immobilien.
– normaler Zugang zur Krankenversorgung.
– Zugang zum Arbeitsmarkt.
– Wiederherstellung des Asylrechts
– Aufhebung der Aufenthaltsbeschränkungen
– kein Aufweichen der Sozialstandards (Mindestlohn etc.).
Wir rufen dazu auf, in der Region, im Betrieb, der Schule, wo auch immer, sich gegen Rassismus gerade zu machen, nicht wegzusehen, einzuschreiten und die hier ankommenden Flüchtige tatkräftig zu unterstützen. Außerdem rufen wir zur Teilahme
– an der Aktionskonferenz – Kein Veedel für Rassismus am Sa, 17 Oktober 2015
– zur Demo „No Go! – Kein Comeback von Rassist*innen“ in Köln am Sa, 24 Oktober 2015
– zur Gegendemonstration „No go HoGe 2.0 – Kein Comeback von Rassist*innen“ in Köln am So, 25 Oktober 2015 auf.
https://www.facebook.com/K%C3%B6ln-stellt-sich-quer-606158276180923/timeline/
Deshalb laden wir gemeinsam mit
Nawaf attac Kölner Flüchtlingsrat e.V. PRO ASYL e.V. DKP Köln VVN-BdA e.V. Rote Hilfe e.V. SDAJ DIE LINKE. linksjugen.solid SDS interventionistische linke SAV AKKU DIDF Kinderhilfe Mesopotamien e.V. DFG-VK Köln
zu folgender Veranstaltung ein:
„Rassismus und die Situation der Flüchtlinge in Köln und der BRD“
Datum 15.10.2015 19:00 Uhr
Bürgerzentrum Alte Feuerwache, Melchiorstraße 3, 50670 Köln