Kritische Anmerkungen zum Umgang der DFG-VK mit dem „Friedenswinter“
Dieser Beitrag wird in der „Zivilcourage“ 2/2015 erscheinen.
Von Harald Fuchs
1.
Der DFG-VK-BundesssprecherInnen-
kreis hat seine Mitarbeit im „Friedens-
winter“ beendet. Leider wurde mit dieser
Entscheidung nicht der wenig später statt-
findende Bundesausausschuss abgewar-
tet. Monty Schädel, Politischer Geschäfts-
führer der DFG-VK, hat den Ausstieg u. a.
in einem Interview mit der „Taz“ und in
einem Artikel in der „Zeitung gegen den
Krieg“ mit der Überschrift „Der Winter ist
zu Ende!“ begründet. Er spricht von „be-
trächtlichem Schaden“ für die Friedensbe-
wegung.
2.
Die von Monty Schädel vorgetragene
Kritik lässt zwei Differenzierungen
vermissen, die für eine produktive und
weiterführende Diskussion der entstande-
nen Fragen grundlegend sind.
a) Die „Montagsmahnwachen für den Frie-
den“ waren und sind eine heterogene und
sich örtlich sehr verschieden darstellende
Bewegung. Ihre Teilnehmer waren/sind
überwiegend Wähler der Linkspartei,
SPD und Grünen, aber es gab/gibt auch
eine Minderheit von für rechtsextreme
Auffassungen offenen oder auch in rechts-
extremen Gruppierungen organisierten
Teilnehmern, die bei den Mahnwachen
ihre politischen Ziele verfolgen. Deshalb
konnte es nie eine Zusammenarbeit mit
den Friedensmahnwachen geben. Dies
hinderte Gegner der Friedensbewegung
aber nicht daran, eben eine solche Zusam-
menarbeit immer wieder zu behaupten
und diese Behauptung zur herrschenden
Sicht auf die Dinge zu machen. Es nützt
der Friedensbewegung nicht, sondern
schadet ihr, diese falsche herrschende
Sicht zu bekräftigen, anstatt ihr zu wider-
sprechen. Die Selbstinszenierung einiger
bundesweit auftretender AktivistInnen als
die Mahnwachen einfach für bare Münze
zu nehmen ist entweder Mangel an kriti-
scher Analyse oder erfolgt in manipulati-
ver Absicht.
b) Der „Friedenswinter“ war nie die Zu-
sammenarbeit zwischen den Friedens-
mahnwachen und der traditionellen Frie-
densbewegung, wie es in der undifferen-
zierten Darstellung von Monty Schädel er-
scheint. In Wirklichkeit saß der „Friedens-
winter“ ziemlich schnell zwischen den
Stühlen, und es haben sich nur Teile der
Friedensmahnwachen und Teile der Frie-
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densbewegung beteiligt. Dies ist schon
durch die geringen Teilnehmerzahlen der
Demonstrationen am 13. Dezember 2014
belegt.
„Friedenswinter“ und „Montagsmahn-
wachen“ undifferenziert in einen Topf zu
werfen heißt, nur der herrschenden Mei-
nung hinterherzurennen, anstatt zur Klä-
rung der Lage beizutragen.
3.
Der Aufruf zum „Friedenswinter“
ließ keine Spielräume für rechte
Querfront-Strategien, Faschismus, Rassis-
mus oder sonstige gruppenbezogene Men-
schenfeindlichkeit. Auf der Homepage
des „Friedenswinters“ (http://friedens-
winter.de/aufruf/) heißt es zum Selbst-
verständnis: „Unsere Demonstration ist an-
ti-faschistisch; ohne Wenn und Aber. Wir
stehen in der Tradition des Schwurs von
Buchenwald: Nie wieder Faschismus, nie
wieder Krieg. Wir lehnen jede Form des
Rechtsradikalismus ab, wir arbeiten mit
Rechtsradikalen nicht zusammen.“
Im Beschluss der Aktionskonferenz des
Friedenswinters am 14. März in Frankfurt
am Main heißt es zu den weiteren geplan-
ten und zu entwickelnden Aktionen: „Da-
bei ist der Antifaschismus unsere unum-
stößliche Grundlage, weil ohne diesen
eine friedliche Welt nicht denkbar ist.“
Die Kundgebungsrede von Eugen Drewermann bei der
Berliner Demonstration des „Friedenswin-
ters“ im Dezember 2014 (www.youtube.
com/watch?v=yn1hQhWEReE) ist es nach
wie vor wert, von einer größeren Öffent-
lichkeit zur Kenntnis genommen zu wer-
den, als es bisher geschehen ist. Ich kann
auch in dieser Rede keine Anschlussfähig-
keit an rechte politische Strategien erken-
nen.
Die eigene Erfahrung der gleichzeiti-
gen Demonstration in Bochum ließ eben-
falls keine Hinweise auf Unterwanderung
dieser Aktion von Rechtsextremen erken-
nen.
Es ist auch nicht plausibel, dass ausge-
rechnet die im Rahmen des „Friedenswin-
ters“ geplanten Aktionen zum 70. Jahres-
tag der Befreiung vom Faschismus am 8.
Mai rechtsextremen Querfrontlern das
ideale Einfallstor für ihr politisches Trei-
ben hätte bieten können.
4.
Die undifferenzierte Negativbewer-
tung der Montagsmahnwachen ver-
sperrt den Weg, neu politisierte Men-
schen für unsere Positionen zu gewinnen.
Sie versperrt auch den Weg, Aktionsideen
wie „offenes Mikrofon“ und „Mahnwache“
im Hinblick auf ihr Potenzial für die Frie-
densbewegung unvoreingenommen zu
diskutieren. Es stellt sich auch die Frage,
welcher Schaden dem Ansehen der DFG-
VK durch das Vorgehen von Monty Schä-
del und des BundessprecherInnenkreises
entstanden ist und welcher Schaden ent-
standen wäre, hätte es den „Friedenswin-
ter“ nicht gegeben. Möglicherweise wä-
ren die Entwicklungen bei den Friedens-
mahnwachen ohne den „Friedenswinter“
in eine schlimmere Richtung gelaufen, als
es so tatsächlich der Fall ist.
5.
Wer sich aus allen Bewegungen zu-
rückzieht, in denen auch Rechts-
extreme auftauchen, anstatt sich offen-
siv mit rechtsextremen Positionen ausei-
nander zu setzen, isoliert sich selbst und
überlässt rechtsextremen Positionen das
Feld. Es geht darum, rechtsextremes Den-
ken in den Köpfen und nicht Menschen zu
bekämpfen. JedeR kann dazu lernen und
sollte nicht auf unausgegorene Meinungs-
äußerungen festgenagelt und in Schubkäs-
ten einsortiert werden.
6.
Der Friedenswinter ist aufgrund sei-
ner geringen Beteiligung geschei-
tert. Mit den tatsächlich erreichten Teil-
nehmerzahlen kann man keinen wirksa-
men politischen Druck für die aufgestell-
ten Forderungen erzielen. Dieser nötige
politische Druck kann von niemandem
im Hau-Ruck-Verfahren herbeigezaubert
werden. Im Rückblick (hinterher ist man
immer schlauer) erscheinen die Aktionen
des Friedenswinters als ein Schnellschuss,
der die Möglichkeiten der Friedensbewe-
gung überfordert und sich nicht genug
Zeit für die nötigen internen Diskussions-
prozesse genommen hat. Die Frankfurter
Aktionskonferenz im März scheint dieses
Scheitern nicht hinreichend zu Kenntnis
genommen zu haben. Es war Zeit, die ge-
scheiterte Aktion zu diesem Zeitpunkt zu
beenden.
Aktionen zum 70. Jahrestag der Befrei-
ung vom Faschismus und Zusammenar-
Nr. 2 – Mai/Juni 2015Titel
beit zwischen verschiedenen politischen
Friedenskräften je nach örtlichen Gege-
benheiten wird es mit und ohne den „Frie-
denswinter“ geben.
Meine Kritik richtet sich nicht gegen
das Plädoyer für ein Ende des „Friedens-
winters“, sondern gegen die falsche Be-
gründung dieses Endes.
7.
Die Alternative zum „Friedenswinter“
wäre schlichtes Nichtstun gewesen.
Was der „Friedenswinter“ in welchen Köp-
fen mit welchen längerfristigen Auswir-
kungen bewirkt hat, wird sich erst noch
zeigen. Die positiven und negativen Wir-
kungen des „Friedenswinters“ wird man
deshalb erst in größerem zeitlichen Ab-
stand begründet bewerten können. Eine
selbstkritische Analyse der Mobilisie-
rungsschwäche der Friedensbewegung
steht aus.
8.
In der Reaktion auf die von Mon-
ty Schädel geäußerte Kritik an den
Montagsmahnwachen kam es zu Ausfällen
von Ken Jebsen mit nicht belegbaren Be-
hauptungen und persönlichen Angriffen
in seiner Rede bei der Berliner Montags-
mahnwache am 16. März. Die Grenzen ei-
ner produktiven Auseinandersetzung wur-
den hier gesprengt, was zu einem Solidari-
sierungseffekt mit Monty Schädel geführt
hat.
Die Friedensbewegung kann nur dann
gesellschaftliche Ausstrahlungskraft ge-
winnen, wenn Grundlagen für einen so-
lidarischen Streit der Meinungen gefun-
den werden. Hierbei kann auch die In-
anspruchnahme externer Mediation hilf-
Nr. 2 – Mai/Juni 2015
reich sein. Manchmal hilft auch nur Dis-
tanz.
Persönliche Feinde sehe ich weder
bei führenden US-, deutschen oder russi-
schen Militärs, auch nicht bei Konzernbos-
sen oder führenden Politikern. Erst recht
nicht bei Ken Jebsen oder Monty Schä-
del, die ich nicht persönlich bzw. nur sehr
oberflächlich kenne. Ich weigere mich,
ein Feind zu sein.
9.
Mit autoritärem Auftreten und ober-
lehrerhafter Besserwisserei gewinnt
man keine Freunde.
10.
Die Montagsmahnwache für den
Frieden in Köln hat sich konstruk-
tiv und in Abgrenzung von der bundeswei-
ten Mahnwachenbewegung weiterentwi-
ckelt (www.wirfuerdenfrieden.de/). Ich
werde mich weiterhin für konstruktives
Zusammenwirken unserer DFG-VK-Grup-
pe Köln mit „Wir für den Frieden – Köln“
einsetzen.
Harald Fuchs ist langjähriges DFG-VK-
Mitglied und aktiv in der Gruppe Köln.
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