Rede zum Auftakt des Ostermarschs in Düsseldorf
Mir klääve am Lääve
Rede zum Ostermarsch 2015
Düsseldorf, 4. 4. 15, Auftakt
Harald Fuchs, DFG-VK Gruppe Köln und Kölner Friedensforum
Ich begrüße Euch zum Ostermarsch Ruhr-Rheinland 2015 hier in Düsseldorf.
Warum demonstrieren wir? Mir als Kölner fällt dazu ein Lied der Bläck Föös ein, das heißt: Mir klääve am Lääve – Wir kleben am Leben. Und weil uns unser Leben lieb ist und das der Anderen unterstützen wir den Ostermarsch unter dem Motto:
Kriege stoppen – Atomwaffen ächten – Zivile Lösungen schaffen.
Wir demonstrieren hier in der Tradition des 1. Ostermarsches, der 1958 in London 10.000 Menschen zum Atomforschungszentrum Aldermaston führte.
Heute sehen wir, daß unsere Vorgänger das Ziel ihres Marsches sehr gut ausgesucht hatten. Immer noch sind der nukleare Winter, die radioaktive Verseuchung und das Ende der Menschheit möglich, wenn auch nur ein Bruchteil des vorhandenen Potentials einsatzbereiter Atomwaffen eingesetzt würde.
Aber auch die Explosion einer einzelnen oder auch nur die Zerstreuung einer Atombombe z. B. durch einen Unfall würde die Gesundheit von Hunderttausenden oder auch Millionen Menschen schwer beschädigen.
Immer wieder gibt es Flugzeugabstürze. Und ständig werden Atomsprengköpfe auf dem Luftweg transportiert. Bereits mehrfach stand die Welt aufgrund technischen oder menschlichen Versagens oder aufgrund politischer Krisen am Abgrund großflächiger radioaktiver Verseuchung und Zerstörungen.
Mir fällt dazu eine Filmszene von Charly Chaplins großem Diktator ein: Wie er mit dem Globus spielt und jongliert. Wir lassen nicht länger zu, daß die Regierenden so mit unserer Welt umgehen! Denn mir klääve am Lääve!
Der einzige Weg zu wirkicher Sicherheit ist die Ächtung der Atomwaffen als Massenvernichtungsmittel durch eine internationale Konvention, so wie es bereits mit den biologischen und den chemischen Waffen geschehen ist. Die diesjährige internationale Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages ist dazu eine gute Gelegenheit.
Unser Land ist in den Wahnsinn der Atomwaffen viel tiefer verwickelt, als viele Menschen in unserem Land wissen: Immer noch werden in der Eifel, in Büchel bei Cochem amerikanische Atombomben scharf gehalten. Immer noch stehen Flugzeuge der Bundeswehr bereit, die im Zuge der sogenannten „Nuklearen Teilhabe“ diese Atombomben an ihre Ziele bringen sollen. Ich rufe Euch auf: Beifall für die mutigen Blockierer, die seit dem 26. März die Zufahrten zur Atomwaffenstellung Büchel für 65 Tage gewaltfrei blockieren! Mir klääve am Lääve und die Atomwaffen sollen weg aus Deutschland! Stoppt die geplante Modernisierung dieser Atomwaffen! Beendet die nukleare Teilhabe der Bundesrepublik Deutschland! Stoppt die Modernisierung der Bundeswehr-Flugzeuge, die die amerikanischen Atombomben in ihre Ziele bringen sollen! Unterstützt die 65-Tage-Blockade in Büchel!
Wir erinnern an das Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag vom 8. 7. 1996. Seitdem ist verbindlich, daß der Einsatz und die Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen völkerrechtswidrig sind.
Deshalb findet jedes Jahr am 8. Juli der Flaggentag der Mayors for Peace statt. In vielen Städten und Gemeinden weht bereits am 8. Juli die Friedensfahne von den Rathäusern. Konfrontiert Eure Bürgermeister mit der Forderung, am 8. Juli die Friedensfahne vom Rathaus wehen zu lassen! Denn mir klääve am Lääve!
Und deshalb werden wir auch am 70. Jahrestag der Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9. August 2015 an diese Forderungen erinnern.
Und wir werden nicht länger zulassen, daß mit unserem Geld Atomwaffengeschäfte der Deutschen Bank, der Commerzbank und der Allianz betrieben werden. Don’t bank the bomb! Kündigt Eure Konten bei Banken, die in Atombombengeschäfte verwickelt sind!
Spätestens seit den Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima ist klar: Weder die zivile noch die militärische Nutzung der Atomkraft ist beherrschbar! Nirgends auf der Welt ist das Problem gelöst, wie die radioaktiv strahlenden Atomabfälle so gelagert werden sollen, daß über 100 000 Jahe lang mit Sicherheit keine Radioaktivität in die Umgebung gelangt. Sowohl Atomwaffen als auch Atomkraftwerke sind unverantwortlich. (Herr Bundespräsident Gauck, sie reden doch so viel von Verantwortungsübernahme. Wann halten Sie eine Rede zum Problem der Endlagerung des deutschen Atommülls? Bei diesem Thema könnten Sie tatsächlich Verantwortungsbewußtsein zeigen. Anstatt uns einreden zu wollen, die Beteiligung der Bundeswehr an weltweiter Kriegsführung sei verantwortbare deutsche Politik.)
Der Gipfel des Zynismus und der Menschenverachtung ist erreicht, wenn die US-Armee die Atommüllentsorgung so betreibt, daß sie in ihren Kriegseinsätzen abgereicherte Uran-Geschosse als Munition in die Gegend schießt und radioaktiv strahlende Staubwolken erzeugt, wie in Serbien und Irak geschehen. (Die dafür Verantwortlichen gehören vor das Internationale Kriegsverbrechertribunal in Den Haag! Frau Merkel, sagen Sie unseren amerkanischen Freunden, wie es in Deutschland ankommt, daß die USA immer noch nicht den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag anerkennen!)
Gestern hat der Ostermarsch an der Urananreicherungsanlage URENCO in Gronau (in einem Zusammenschluß von Friedensbewegung und Anti-AKW-Bewegung) begonnen.
Wir grüßen hier alle diejenigen, die schon gestern in Gronau mit dabei waren mit einem begeisterten Applaus!
In der URENCO wird Uran in Gaszentrifugen so angereichert, daß es als Kernbrennstoff in AKWs verwendet werden kann. Dieselbe Technik könnte auch für die Herstellung von Atombomben verwendet werden. Deshalb darf URENCO nicht an irgendwelche Investoren verkauft werden, sondern muß umgehend demontiert und entsorgt werden! Nein zur Urananreicherung! Nein zu Atomkraftwerken! Nein zu Atombomben und Uranmunition! Denn mir klääve am Lääve!
Ich wende mich dagegen, den Atomausstieg als Vorwand zu benutzen, um bei der Energieversorgung weiterhin auf Braunkohle zu setzen. (Mit den Braunkohle-Kraftwerken haben wir hier in NRW die größten CO2-Schleudern Europas.) Der dadurch verursachte Klimawandel ist die Ursache künftiger menschenverursachter Umweltkatastrophen, die zu weiteren Flüchtlingsströmen und Kriegen führen. Frieden erfordert eine nachhaltige Wirtschaftsweise und Politik. Deshalb sind Friedens- und Umweltbewegung natürliche Verbündete, und wir werden auf verstärkte Zusammenarbeit drängen und uns an den Aktivitäten der Umwelt- und Klimabewegung wie z. B. der Menschenkette im Braunkohletagebaugebiet beteiligen. Denn mir klääve am Lääve!
Wir sind besorgt über das Spiel mit dem Feuer, das von der NATO und Rußland im ukrainischen Bürgerkrieg gespielt wird.
Wer versucht, Rußland militärisch einzukreisen und zu bedrohen und mit Wirtschaftssanktionen in die Knie zu zwingen, der wird erreichen, daß sich die Russen um ihre Führung zusammenschließen und in Rußland Nationalismus und Militarismus angeheizt werden. Rußland und China werden enger zursammenrücken.
Das Letzte, was wir in diesen Zeiten gebrauchen können, ist ein neuer kalter Krieg und ein neues Wettrüsten. Das Geld wird an anderen Stellen gebraucht!
Wir brauchen keine neue europäischen Kampfdrohnen!
Abrüstung ist das Gebot der Stunde!
Die Wirtschaftssanktionen bringen nichts außer Arbeitsplatzverlusten in Europa und neuer Kriegsgefahr.
(Wir kritisieren Verletzungen des Völkerrechts durch Rußland. Wer aber seinerzeit kein Problem damit hatte, das Kosovo von Serbien abzuspalten, dem gestehe ich heute nicht das Recht zu, in Bezug auf Rußland und die Krim die Verletzung des Völkerrechts anzuprangern. Und auch nicht denjenigen, die kein Problem mit der völkerrechtswidrigen NATO-Doktrin des Ersteinsatzes von Atomwaffen haben. Und erst recht nicht denjenigen, die kein Problem mit der extralegalen Tötung hunderter Menschen durch Kampfdrohnen haben, die mit Hilfe von in Deutschland (Ramstein) stationierten Übertragungsstationen gesteuert werden. Herr Bundesstaatsanwalt Runge, wo bleiben Ihre Ermittlungen in Bezug auf diese staatsterroristischen Morde?)
Denen, die neue Angst vor Rußland schüren wollen, halte ich entgegen: Wenn Rußland 80 Milliarden $, die NATO aber 800 Milliarden $ pro Jahr für Rüstung ausgibt, wer muß dann vor wem Angst haben?
(Wer verantwortet die Toten und das Elend, die schon im Frieden durch diesen Rüstungswahnsinn verursacht werden?)
Es war die NATO, die sich seit 1989 Land für Land immer weiter an Rußlands Grenzen herangeschoben hat. Die NATO wurde spätestens 1989 mit der Auflösung des Warschauer Vertrags überflüssig, und wir haben keinen Grund, diesem zutiefst aggressiven Militärbündnis weiter anzugehören.
Frieden in Europa ist nur mit und nicht gegen Rußland möglich.
Wir fordern den Stopp der Wirtschaftssanktionen gegen Rußland.
Die Lösung liegt in Verhandlungen mit dem Ziel einer Wiederholung der Volksabstimmung auf der Krim unter internationaler Kontrolle nach dem Vorbild des Saarlandes. Wir fordern weitere Verhandlungen für eine föderale Lösung mit Selbstverwaltungsrechten für die Ostukraine.
10 Jahre verhandeln ist besser als einen Tag schießen!
Wir weigern uns, Feinde zu sein!
Verweigert alle Kriegsdienste!
Denn mir klääve am Lääve!
Und zum Abschluß meiner Rede noch zwei Losungen für unseren Marsch:
Hopp, hopp, hopp – Atomaffen Sopp!
Deutschland, Rußland, USA – kommen nur im Frieden klar!
(In Klammern gesetzte Passagen wurden im mündlichen Vortag gekürzt)