Krysztof Daletski schenkt uns ein „Büchel-Lied“: „Lasst uns den Tod aus der Eifel verjagen!“
Büchel-Lied
Krysztof Daletski, 2021
Da ist ein Horst am Rand der Eifel, / Doch keine Vögel brüten dort:
Da lagern atomare Bomben / Für tausendfachen Massenmord.
Die sollen jetzt erneuert werden / Als Teil der kühnen Strategie
Eines gewinnbaren Atomkriegs: / NUCLEAR PRIMACY
Der neue Abwehrschirm in Polen / Ist zur Verteidigung zwar schlapp,
Doch in Ergänzung eines Erstschlags / Wehrt er danach den Zweitschlag ab.
Und dafür braucht es neue Bomben / Die besser zielen in ihr Ziel,
Das macht die Drohung stark und glaubhaft: / NUCLEAR PRIMACY
Lass es uns laut den Regierenden sagen:
Auf solche Spielchen ist keiner erpicht!
Lasst uns den Tod aus der Eifel verjagen:
Nein, diese Waffen, die wollen wir nicht!
Gesprochen:
A: Denkst Du denn, dass die das wirklich wahrmachen wollen?
B: Das ist ja nur eine Komponente der Strategie, die die Planerinnen der US-Außenpolitik beschreiben als (Zitat) „Rückbesinnung auf die Staatskunst, mit der der Kalte Krieg gewonnen wurde“.
A: Das heißt, die aggressive Konfrontationspolitik wird als Erfolgsmodell gepriesen?
B: Das sieht man in den entsprechenden Think Tanks wohl so.
A: Und worin bestand das Erfolgsmodell? Bewaffnung von Djihadisten? Syrien als Afghanistan 2.0?
B: Unter anderem gehen sie davon aus, dass der Rüstungswettlauf die Sowjetunion ruiniert hat. Atomwaffen sind extrem teuer!
A: Aber für uns doch auch! Die F18 Kampfflugzeuge für die neuen Atombomben kosten viele Milliarden.
B: Ja, aber wir können das locker finanzieren, z.B. durch Sozialabbau. Das geht in Russland nicht. Und in Kombination mit den Sanktionen führt das vielleicht zu einer Wirtschaftskrise und einer neuen Katastrojka.
A: Und das ist ein legitimes außenpolitisches Ziel?
B: Ha! Mit völkerrechtlichen Fragen brauchst Du unseren Transatlantikern wohl nicht kommen. Es gibt aber einen anderen Aspekt, der auch den schärfsten Falken zu denken geben sollte: Das Risiko eines Atomkriegs aus Versehen ist heute noch höher als in den 80er Jahren!
Gesungen:
Die NATO ist schon an die Grenzen / Des alten Feindes vorgerückt.
Statt zu entspannen werden Säbel / Wie wild gerasselt und gezückt.
Und wegen kurzer Vorwarnzeiten / Entscheiden Rechner und KI.
Wer wird dann noch dazwischen schreiten? / NUCLEAR JEOPARDY
Lass es uns laut den Regierenden sagen:
Auf diesen Irrsinn ist keiner erpicht!
Lasst uns den Tod aus der Eifel verjagen:
Nein, diese Waffen, die wollen wir nicht!
Erläuterungen
Der Begriff „Nuclear Primacy“ (nukleare Vorherrschaft) ist dem Artikel „The End of MAD? The Nuclear Dimension of U.S. Primacy“ von Keir A. Lieber und Daryl G. Press (International Security. 30.4, 2006) entnommen. Laut Lieber und Press sind Teile der Modernisierung im US Nuklearprogramm nur mit der Zielsetzung eines Erstschlags erklärbar, und der Raketenabwehrschirm mache ebenfalls nur in einem offensiven militärischen Szenario Sinn: als Rückversicherung, falls in Russland nach einem US-Erstschlag doch noch vereinzelte Atomwaffen funktionsfähig bleiben.
Das Zitat zum Sieg im Kalten Kriegs stammt von Victoria Nuland, die in „Foreign Affairs“ 06/2020 schrieb:
Washington and its allies have forgotten the statecraft that won the Cold War and continued to yield results for many years after.
Victoria Nuland ist als eine der ersten Personalenstscheidungen des neuen US-Präsidenten Joe Biden für eine Planungsposition der US-Außenpolitik nominiert worden.
Die Auffassung, dass der Kalte Krieg von den USA „gewonnen“ wurde vermittels einer siegreichen aggressiven Politik, ist allerdings auch unter US-Historikern umstritten. Einen Überblick über die verschiedenen Positionen findet man im Review Artikel „Who won the Cold War?“ von Josh Clark (28 April 2008, https://history.howstuffworks.com/history-vs-myth/who-won-cold-war.htm). Diejenigen, die Nulands Interpretation teilen, führen das „Besiegen der UDSSR“ auf den nuklearen Rüstungswettlauf und die Stellvertreterkriege zurück, insbesondere die US-Unterstützung bewaffneter redikaler Islamisten in Afghanistan.
Beim Vermeiden des Begriffs „Völkerrecht“ und dessen Substitution durch den Begriff „regelbasierte Ordnung“ ist laut Stefan Talmon der deutsche Außenminister Heiko Maas Weltmeister („Rules-based order v. international law?“ https://gpil.jura.uni-bonn.de/2019/01/rules-based-order-v-international-law, 20 Jan 2019). Wobei Maas aber im Unklaren lässt, was er damit meint, so dass Talmon verschiedene mögliche Implikationen erläutert und kritisch kommentiert.
In den 1980er Jahren kam es mehrmals beinahe zu einem Atomkrieg durch Fehlalarme. Der oben erwähnte Artikel von Lieber und Press weist darauf hin, dass durch eine nukleare Überlegenheit der USA das Risiko für einen Atomkrieg aus Versehen steigt. Weitere Informationen dazu, insbesondere zum Risiko des Einsatzes von „künstlicher Intelligenz“ (KI) findet man in den Literaturhinweisen auf der Webseite https://atomkrieg-aus-versehen.de.
Wir danken Krysztof Daletski herzlich für die Erlaubnis, sein Lied mit den Erläuterungen hier zu veröffentlichen!