Ziviler Ungehorsam gegen US-Atombomben in Büchel (Eifel): Amtsgericht Cochem verurteilt Friedensaktivist*innen

Pressemitteilung der Gruppe Büchel17 vom 19.6.2020:


Cochem (Eifel), 19.6.2020. Das Amtsgericht Cochem verurteilte heute fünf Atomwaffengegner*innen wegen „Hausfriedensbruch“ im Rahmen einer Aktion Zivilen Ungehorsams gegen die auf dem Bundeswehr-Flugplatz Büchel eingebunkerten US-Atombomben zu 30 bis 60 Tagessätzen, ersatzweise Haft. Drei der Verurteilten legten Berufung ein.

Die zur Gruppe „Büchel17“ gehörenden Friedensaktivist*innen im Alter von 60 bis 77 Jahren hatten am 30.4.2019 zwischen zwei stacheldrahtbewehrten und mit Videoanlagen bestückten Umzäunungen des Atombomben-Standorts Büchel einen „Zivilen Sicherheitsbereich“ ausgerufen und ein „atomwaffenfreies Frühstück“ auf einer blumengeschmückten Picknick-Decke veranstaltet. Gleichzeitig hatte eine zwölfköpfige Gruppe der Büchel17 das Militärgelände zu einer friedlichen Mahnwache betreten. Die gemeinschaftliche Aktion führte zeitweise zur Unterbrechung des militärischen Flugbetriebs.

Die zweite Gruppe wurde ebenfalls angeklagt; die Verhandlung beginnt am 24.6.2020.

Vor Gericht erinnerte der angeklagte Rentner Dieter Reckers (77 J.) an den Angriff der Alliierten auf seinen Heimatort Münster am 25.3.1945 mit 150.000 Brandbomben. Jede der beiden auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfenen Atombomben habe die Zerstörungskraft dieses Brandbombenangriffs noch überstiegen, erläuterte er. Und jede der heute in Büchel stationierten US-Atombomben habe die dreizehnfache Sprengkraft der beiden 1945 detonierten Atombomben. Mit Blick auf die „Nukleare Teilhabe“ Deutschlands an den US-Atombomben erklärte Reckers:

Die Drohung mit einem so unmenschlichen Schrecken ist eine schreckliche Unmenschlichkeit.

Der mitangeklagte Günter Wimmer (77 J.) aus München mahnte:

Wenn die Atombomben fallen, dann ist es zu spät. Jetzt ist die Zeit zum Handeln!

Mit Bezug auf ein am 9.4.2020 ergangenes Urteil des Oberlandesgerichtes Koblenz in einem Revisionsverfahren zu Zivilem Ungehorsam in Büchel erklärte Richter Zimmermann in seiner Urteilsbegründung jedoch, diese Gefahr sei nicht „gegenwärtig“. Daher fehle eine Voraussetzung dafür, einen „rechtfertigenden Notstand“ anzuerkennen.

Die Atomwaffengegner*innen zeigten sich enttäuscht, dass sich das Gericht nicht für das steigende Risiko eines Atomkriegs interessiert und ihren Beweisantrag dazu nicht zugelassen hatte. Klaus Bürkle (60 J.) aus Ortenberg:

Der von uns vorgeschlagene Sachverständige, Professor Karl Hans Bläsius, hätte dem Gericht den Zusammenhang zwischen Digitalisierung und dem Risiko eines Atomkriegs aus Versehen verdeutlichen können. Der Richter hat es aber leider abgelehnt, sich mit der Höhe des Risikos zu beschäftigen.

Fünf Männer und eine Frau stehen vor einem romantischen Eingangsportal aus rotem Sandstein und halten den Betrachter*innen jeweils ein weißes DIN A 3-formatiges Schild mit roter und schwarzer Schrift entgegen.

Günter Wimmer, Klaus Bürkle, Dr. Brigitte Janus, Gerd Büntzly und Dieter Reckers (v.l.), die „Picknick-Gruppe“ von Büchel17 warnen am 19.6.2020 vor dem Amtsgericht Cochem: „Atombomben in Büchel: deutscher Beitrag zum atomaren Massenmord!“ Foto: Büchel17

Verurteilt wurden ein Heilerziehungspfleger (60 J.) aus Ortenberg (Baden), ein Musiker (70 J.) aus Herford, eine Ärztin (68 J.) aus Nürnberg, ein Rentner (77 J.) aus Lüchow-Rehbeck und ein Diplom- Sozialarbeiter i. R. (77 J.) aus München.


Hintergrundinformationen

Fotoalbum „Büchel17“ auf Flickr

Fotoalbum „Büchel17 vor Gericht – Atombomben auf die Anklagebank!“ auf Flickr

Einlassung von Dr. Brigitte Janus am 19.6.2020 (pdf)

Kampagne „Wider§pruch“: Texte aus dem Gerichtssaal (verlinkte Seite von „JunepA“ wird laufend aktualisiert)

Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 9.4.2020 (pdf) 

Ziviler Ungehorsam zur Abschaffung der Atomwaffen in Büchel seit 1997
Gewaltfreie Aktionen zur Durchsetzung des Abzugs der Atomwaffen aus Deutschland finden seit 1997 in Büchel statt. Zahlreiche Aktivistinnen und Aktivisten schnitten den Militärzaun auf, betraten des Militärgelände („Go-In“), hielten nicht genehmigte Versammlungen ab, riefen zu Befehlsverweigerung, Blockaden, Go-In-Aktionen und zum „Whistleblowing“ auf. Seitdem wurden mindestens 95 Menschen wegen Straftaten im Zusammenhang mit solchen Aktionen Zivilen Ungehorsams angeklagt, einige von ihnen mehrmals. Darüber hinaus gab es einige Bußgeldbescheide wegen Ordnungswidrigkeiten. Dreizehnmal gingen Menschen ins Gefängnis, nachdem sie wegen Teilnahme an gewaltfreien Aktionen in Büchel verurteilt worden waren. Derzeit dürften wegen Aktionen Zivilen Ungehorsams zur Abschaffung der Atomwaffen in Büchel 35 Strafverfahren laufen. Außerdem sind fünf Verfassungsbeschwerden anhängig. Die nächsten Verhandlungen im Amtsgericht Cochem wegen Zivilen Ungehorsams in Büchel sind terminiert für den 24. Juni sowie für den 2. und 7. September 2020.
Quelle: Martin Otto, Gewaltfreie Aktion Atomwaffen abschaffen, jur.folgen@gaaa.org (Stand: 14.6.2020)

Pressekontakt:
Stefanie Intveen, 0151 56094920, stefanie.intveen@web.de

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