Wolfgang Lemb (IG Metall) beim Bundeskongress der DFG-VK: Gewerkschaften für Frieden, Abrüstung und Rüstungskonversion!
Wolfgang Lemb ist Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, der „größten Einzelgewerkschaft der Welt“, wie es auf ihrer Homepage heißt. Als Hauptredner auf dem 22. Bundeskongress der DFG-VK am 9. November 2019 in Frankfurt/Main trat für Frieden, Abrüstung und Konversion ein (Es gilt das gesprochene Wort!):
Liebe Freundinnen und Freunde, Kolleginnen und Kollegen,
Ich bedanke mich für die Einladung und die Möglichkeit hier zu euch zu sprechen und gemeinsam mit Euch zu diskutieren, auch wenn ich wegen anderer Termine nicht an den folgenden Arbeitsgruppen teilnehmen kann.
Heute, am 9. November, erinnern wir uns natürlich an die Maueröffnung vor 30 Jahren. Sie markierte das Ende der alten, bipolaren Weltordnung. Was haben wir nicht alles zu träumen gewagt? Damals wurde nicht nur das Tor aufgemacht für die Menschen, die sich bald in einem Land wiederfinden sollten. In der DDR gab es bald keinen Verteidigungsminister mehr, sondern einen Abrüstungsminister.
Alles, oder zumindest vieles, schien möglich.
Nach der Abschaffung der NVA (Nationale Volksarmee – d. Red.) auch die Bundeswehr verkleinert, in Ost und West zogen die Besatzungsmächte ihre Truppen zurück, die Atomwaffenarsenale wurden abgebaut. Vor dreißig Jahren konnten die Menschen diesseits und jenseits der ehemaligen Systemgrenze aufatmen, dass die „deutsche Revolution“ so friedlich verlaufen war und die Kriegsgefahr in Europa gebannt schien.
Aber schon bald mussten wir feststellen, dass mit dem Ende der Systemkonkurrenz das Militär keineswegs ausgedient hatte. Der Warschauer Pakt und seine Mitgliedsstaaten lösten sich auf, aber die NATO blieb bestehen und wurde ausgeweitet.
Und die Bundeswehr wurde Schritt um Schritt von einer Verteidigungsarmee zu einer professionellen Eingreiftruppe für sogenannte Auslandseinsätze umgebaut. Um unsere „Freiheit“ künftig am Hindukusch zu verteidigen – wie es damals hieß. Vor allem aber, um den strategischen, freien Zugang zu den Rohstoffen auf dem Weltmarkt zu gewährleisten.
Unser Traum von einer gerechteren Welt in Frieden ist und bleibt dennoch beständig. Aber es erscheint uns heute so fern – angesichts der vielen Kriege und Konflikte in dieser Welt. Angesichts der weltweiten Fluchtbewegungen. Angesichts des Hungers und der Entrechtung in vielen Ländern. Verursacht durch kapitalistische Interessen und die Macht global agierender Konzerne und verantwortungsloser Politiker.
Rüstungshaushalt
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freundinnen und Freunde,
wir erleben heute, 30 Jahre nach dem Mauerfall, eine neue Phase der Aufrüstung. Der INF-Vertrag ist gekündigt. Der Rüstungshaushalt soll nach dem Willen der NATO auf zwei Prozent unseres Volkseinkommens erhöht werden. Die Bundesregierung bekennt sich zu diesem Ziel. Für 2019 sind 43,2 Milliarden Euro vorgesehen.
Das ist unverantwortlich, es verschärft die weltweiten Konfliktlagen und führt zu neuem Hunger und Elend „Abrüsten statt Aufrüsten“ ist das Motto eines gemeinsamen Aufrufes, den mittlerweile zehntausende Menschen unterschrieben haben und in dem wir dazu aufrufen, sich aktiv gegen die „Zwei Prozent“ einzusetzen.
Auch der DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund – d. Red.) hat sich auf seinem Bundeskongress dazu bekannt, und ruft ebenfalls dazu auf, die Initiative zu unterstützen. Und der jüngste IG Metall-Gewerkschaftstag vor wenigen Wochen in Nürnberg hat es bekräftigt: Wir wollen weiter und noch mehr Unterschriften sammeln. Die Beschlusslage lässt also eigentlich nichts zu wünschen übrig.
Und trotzdem gehört auch zur Wahrheit, dass diese friedenspolitische Tradition und Auftrag bei vielen von uns nur noch an „hohen Feiertagen der Arbeiterbewegung“ beschworen wird, der gewerkschaftliche Alltag davon häufig unberührt wirkt. Delegiertenversammlungen – mit friedenspolitischen Resolutionen – gab es in der Vergangenheit auch schon mal häufiger…
Und selbstkritisch will ich auch sagen: Wenn wir uns manche Reden am 1. Mai oder auch die eine oder andere Internetseite der Gewerkschaften anschauen, dann fehlt da schon manchmal selbst der allgemeine Appell oder nur die Erwähnung des Friedensthemas.
Das ist keine Absicht, das ist auch klar!
Ein Grund mag sein: Zu sehr sind unsere Kollegen vor Ort mit den unsozialen Folgen einer verfehlten Wirtschafts- und Sozialpolitik, mit täglichen Abwehrkämpfen und – gerade in der jetzigen Zeit – mit den Folgen der Transformation beschäftigt.
Aber ich will auch durchaus positiv sagen: Zum bereits erwähnten Gewerkschaftstag der IG Metall wurden deutlich mehr Anträge zu friedenspolitischen Themen gestellt. Und das Thema Rüstungskonversion wird innerhalb der IG Metall wieder stärker diskutiert und – noch nicht ausreichend – aber in einigen Regionen wieder stärker vorangetrieben. Ich komme später nochmal darauf zurück.
Liebe Freundinnen und Freunde,
die Welt ist in einem gefährlichen Krisenmodus.
In Afrika sind Millionen Menschen vom Hungertod bedroht. In Europa und in Deutschland nimmt die soziale Ungleichheit und Armut in einem seit langem nicht gekannten Ausmaß zu. Das alles spitzt sich zu, statt die vielen Kriege und Konflikte zu deeskalieren. Wir wollen nicht, dass das so weitergeht! Nur ein Bruchteil der 1,7 Billionen Dollar, die weltweit für Rüstung ausgegeben werden, würde ausreichen, die wichtigsten Millenniumsziele der Vereinten Nationen zu erreichen:
- Armut halbieren,
- alle Menschen mit sauberem Wasser versorgen, ebensomit Gesundheitsdiensten und Bildung.
Das wäre machbar! Zum Beispiel, wenn die deutsche Außenpolitik von dem Leitgedanken Abrüstung, zivile Hilfen und fairer Handel geprägt wäre, nicht von militärischen Machtgehabe und Interventionen. In Anbetracht immer lauter werdender Rufe nach Aufrüstung dies- und jenseits des Atlantiks möchte ich an die Worte von Willy Brandt erinnern. Ich zitiere:
Wo Hunger herrscht, kann Friede nicht Bestand haben. Wer den Krieg ächten will, muss auch die Massenarmut bannen.
Zitat Ende. Um dieser Armut den Kampf anzusagen, versprach auch Deutschland vor fast 50 Jahren bei den Vereinten Nationen in New York, 0,7 Prozent seiner Wirtschaftskraft für die Entwicklungszusammenarbeit zu investieren. Heute stehen wir bei 0,61 Prozent – Tendenz sinkend. Heute gibt es noch immer deutlich über 700 Millionen Menschen, die in extremer Armut leben, also mit weniger als 1,90 US-Dollar am Tag auskommen müssen.
Es geht aber hier nicht um Zahlenspiele, sondern um für uns alle wichtige Investitionen, mit denen wir Armut, Hunger, die Bildungs-, Gesundheits- und Klimakrise überwinden können. Das wäre Friedenspolitik im eigentlichen Sinne. Als Orientierung dienen die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, die die Welt nur mit gemeinsamen Anstrengungen, politisch und finanziell, erreichen kann. Vor knapp 50 Jahren gab Willy Brandt der Welt ein Versprechen. Es wäre an der Zeit, es einzulösen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freundinnen und Freunde,
aber was passiert stattdessen? Die Ausgaben fürs Militär steigen und steigen. Die deutschen Militärausgaben mit über 43 Milliarden so hoch wie seit 20 Jahren nicht mehr. Die 29 NATO-Staaten allein geben zusammen 1.310 Milliarden (1,3 Billionen) Dollar für Rüstung aus. Das ist ungefähr das 18-fache dessen, was Russland aufbringt. Wir haben – nach einer kurzen Periode, in der von Friedensdividende gesprochen wurde – wieder eine Aufrüstung wie im Kalten Krieg. Und wir haben mehr heiße Kriege als je zuvor auf unserer Welt.
Diesen Wahnsinn dürfen wir – als Friedensaktivist*innen – nicht mitmachen! Im Vordergrund muss das Bemühen stehen, allen Menschen ein Leben ohne Not zu sichern. Sie brauchen Schutz und Sicherheit vor Armut, Krankheit, Ausgrenzung und das Ende der Verletzung ihrer Menschenrechte. Wir wollen eine Politik der Abrüstung und Konfliktprävention, der sozialen Gerechtigkeit und der internationalen Solidarität. Die muss, statt in militärische Aufrüstung, in sozial-, bildungs- und arbeitsmarktpolitische Aufgaben investieren.
Aber genau das Gegenteil ist mit der europäischen Verteidigungsstrategie der Fall. Die Vereinbarung zur EU-Militärkooperation PESCO beinhaltet, die nationalen Militärausgaben zu steigern, wie von der NATO vorgegeben. Aber es ist nicht nur der Druck der NATO. Auch Europa selbst will, entgegen dem EU-Vertrag, die Verteidigungsausgaben der Gemeinschaft auf über 65 Milliarden Euro im Jahr 2027 steigern.
Unabhängig von Zahlen: die anhaltende Fluchtbewegung aus Afrika und dem Nahen Osten, aus den Krisengebieten rund um unser Europa, zeigt doch deutlich, wie dringlich es ist, die Fluchtursachen, zu denen im Wesentlichen auch Waffenexporte zählen, zu bekämpfen. Auch eine gemeinsame europäische Verteidigungsstrategie – wie sie derzeit diskutiert wird – darf nicht dazu führen, dass noch mehr Waffen und noch mehr Soldaten benötigt werden. Und bezahlt werden müssen!
Wir brauchen endlich ein soziales Europa und kein militärisches!
Wir wollen humanitäre Einsätze Europas, keine Kriegseinsätze!
Rüstungsexporte
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Kolleginnen und Kollegen,
um es drastisch, aber auch in aller Klarheit zu sagen: Der Tod ist immer noch ein Export-Weltmeister aus Deutschland. Deutschland ist gegenwärtig nach den USA, Russland Frankreich und noch vor China der viertgrößte Waffenexporteur der Welt. Ein erbärmlicher Spitzenplatz, liebe Freundinnen und Freunde!
Die Bundesregierung hat allein im ersten Halbjahr 2019 wie auch letztes Jahr riesige Mengen an Waffenexporten im Wert von über 6 Milliarden Euro in alle Welt genehmigt. Das ist der nach den absoluten Rekordjahren 2015 und 2016 der drittgrößte Gesamtwert aller Zeiten. Dramatisch und völlig unverantwortlich ist der erneute Rekordwert bei Lieferungen an sogenannte Drittländer, also Staaten außerhalb von NATO und EU.
Viele dieser Staaten liegen in Kriegs- und Krisengebieten, beispielsweise im Nahen Osten und Nordafrika. Oder sie führen sogar Krieg. Rüstungsgüter aus Deutschland gehen in Länder wie Saudi- Arabien, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate oder Ägypten. Länder, die völkerrechtswidrige Kriege führen und die Menschenrechte systematisch und massiv verletzen. Die – rechtlich unverbindlichen – und in diesem Jahr endlich aktualisierten „Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Waffen und sonstigen Rüstungsgütern“ reichen bei weitem nicht aus.
Sie erfassen auch in keiner Weise die Belieferung von Bündnispartnern wie der Türkei. Deutsche Rüstungsexporte in dieses Land befinden sich auf dem höchsten Stand seit 14 Jahren. Das türkische Militär, das jetzt mit Kriegsgerät aus deutschen Waffenschmieden in die kurdischen Gebiete Nordsyriens eingefallen ist, hat allein zwischen Januar und August Waffen im Wert von 250 Millionen Euro aus Deutschland erhalten. Im vergangenen Jahr schon erhielt die Türkei mit 243 Millionen fast ein Drittel aller deutschen Kriegswaffenexporte. Damit war das Land am Bosporus „klar die Nummer eins unter den Empfängerländern deutscher Rüstungsgüter“, schreibt „Die Zeit“. Ich sage hier ganz klar: Schluss mit dem Krieg gegen die Kurden! Und das heißt eben auch: Keine Waffen mehr für Erdogan!
Liebe Freundinnen und Freunde,
wir alle wissen: Rüstung tötet! Auch im Frieden! Dieses Motto der Friedensbewegung, unserer Bewegung, gilt nach wie vor. Die Exporte von Waffen und ihre unkontrollierte Weitergabe tragen weltweit dazu bei, dass Menschenrechte verletzt werden. Und: sie halten eine Todesspirale in Gang. Ich fordere deshalb: Die deutschen Rüstungsexportgesetze müssen baldigst eine verbindliche Menschenrechtsklausel erhalten. Und das Parlament muss umgehend bei Entscheidungen über Waffenexporte einbezogen werden.
Rüstungskonversion
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freundinnen und Freunde,
das Thema Rüstungskonversion steht seit langem im Zentrum – auch immer wieder in der Auseinandersetzung – des friedenspolitischen Engagements der Gewerkschaften. Da gab es – und gibt es immer noch – viel Auf und Ab. Die Debatte in den achtziger Jahren zeigt: Konversion muss in ein industriepolitisches Konzept eingebunden werden.
Daraus ergibt sich meines Erachtens gegenwärtig die Chance, Rüstungskonversion effizienter zu betreiben. Zum Beispiel muss Technologiepolitik stärker auf „Dual-use-Produkte” setzen. Ich weiß, das sehen viele hier im Raum möglicherweise kritisch und als Verneblungsdiskussion. Aber damit gelingt der „Konversions-Übergang” von militärischer zu ziviler Nutzung. Durch kürzere Innovationszyklen lässt sich das effizienter gestalten.
Diese Forderung ist auch Bestandteil der europäischen Gewerkschaftsposition mit Blick auf die Überarbeitung der Forschungsrahmenpläne der EU-Kommission. Untermauert werden diese technologiepolitischen Forderungen durch IndustriALL Global Union, dem Weltverband der Industriegewerkschaften. So fordert IndustriALL beispielsweise, die Förderung und Einrichtung von Hochschulinstituten, die sich intensiv der Erforschung von zivilen Produktionen in wehrtechnischen Betrieben widmen.
In Bezug auf betriebliche Rüstungskonversionsdebatten sind – wie schon in den 80er Jahren – auch heute noch viele Arbeitgeber die Blockierer. Kein Wunder: Sie machen mit der Rüstung ihren Profit! Die betrachten das Engagement ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Rüstungskonversion als Einmischung in die Freiheit der Unternehmerischen Entscheidung. Betriebliche Demokratie und Mitbestimmung sind deshalb erste Voraussetzung für den Erfolg von Konversionsprojekten. In mitbestimmten Mischkonzernen (z. B. Airbus) sind solche Projekte eher durchsetzbar. Sie sind aber beileibe kein Selbstläufer!
In KMUs (Kleinen und Mittleren Unternehmen – d. Red.) mit schwächeren Mitbestimmungsstrukturen sind Konversionsinitiativen unserer Betriebsräte schwieriger durchsetzbar, weil durch die Arbeitgeberseite immer wieder versucht wird, sie zu verhindern. Die kapitalistische Logik zeigt aber immer wieder: Konversionsprozesse scheitern oft an der Profitabilität der militärischen Güter im Vergleich zu zivilen.
Daran wird deutlich, dass eine nachhaltige Konversion ohne staatliche Verantwortung und das politische Wollen einer Regierung nicht zu schaffen ist.
Die gewerkschaftliche Konversionsdebatte hat – auch wenn es vielleicht von außen nur bedingt wahrnehmbar ist – zumindest bei uns in den letzten Jahren wieder mehr Schwung aufgenommen. Und das ist gut so! Ausgangspunkt war die Debatte auf den letzten beiden Gewerkschaftstagen. Sie schlägt sich nieder in zahlreichen Anträgen unserer Geschäftsstellen, die auf dem Gewerkschaftstag beschlossen wurden. Ich habe vorhin von den „realistischen Ansätzen“ gesprochen. Das bedeutet heute für die IG Metall vor allem, den betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Nutzen der Konversion herauszustellen und die Diskussion Industrie- und Branchenpolitisch zu fundieren.
In Deutschland sind immer noch ca. 90.000 bis 100.000 direkte Arbeitsplätze bei Systemanbietern und Zulieferunternehmen von Aufträgen der Bundeswehr und vom Rüstungsexport abhängig. Die letzten Jahrzehnte haben zu einem Konzentrationsprozess in der Rüstungsindustrie geführt. Umsätze und Beschäftigung sind auf relativ wenige Unternehmen konzentriert. Allein bei den sechs größten der ca. 300 bis 400 Unternehmen, die in Deutschland in der Rüstungsindustrie tätig sind, arbeiten nach unserer Schätzung über 30.000 Beschäftigte. Das heißt, fast ein Drittel der von Rüstungsaufträgen abhängigen Arbeitsplätze finden sich in weniger als zwei Prozent der Betriebe.
Die deutsche Rüstungsindustrie ist heutzutage eher eine rein „statistische“ Größe. Inzwischen ist sie europäisch verflochten. Rüstungsprojekte werden heute weder in einem Land allein, technologisch entwickelt, noch produziert. Deshalb brauchen wir die europäische Perspektive. Voraussetzung ist aus unserer Sicht: die Europäischen Union muss eine konsequente Abrüstungsstrategie verfolgen. Seit Jahrhunderten werden die meisten Waffen auf der Welt in Europa produziert. Damit muss endlich Schluss sein!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freundinnen und Freunde,
wir als IG Metall müssen aber bei allen Aktivitäten auch die beschäftigungspolitischen Folgewirkungen im Blick haben. Ihr kennt das „Argument“: Beschäftigte in den Rüstungsbetrieben, viele von ihnen Mitglieder der IG Metall, fürchten sinkende Rüstungsausgaben und -aufträge. Nicht, weil sie Krieg wollen. Sie haben schlicht Angst um ihre Arbeitsplätze und Einkommen, mit denen sie sich und ihre Familien ernähren.
Was wir als IG Metall in der Debatte um Rüstungskonversion deshalb immer wieder deutlich machen ist:
Jede Steigerung des Beschaffungswesens wirkt als Innovationskiller und verhindert die nötige Diversifikation. Der Druck auf die Arbeitsplätze wird somit nicht geringer, sondern steigt tendenziell eher. Wir brauchen also – aus friedenspolitischer Perspektive sowieso – aber auch aus beschäftigungspolitischer Sicht die Umstellung von militärischer auf zivile Produktion.
Und ich will betonen: Metallerinnen und Metaller, die heute noch Waffen oder anderes militärisches Gerät bauen, würden lieber heute als morgen zivile Güter herstellen. Wenn eine Reduzierung oder der Ausstieg aus der Rüstungsproduktion aber praktisch gelingen soll, sind zeitliche Puffer, Mittel für Qualifizierung sowie für Forschung und Entwicklung notwendig. Deshalb ist der „Fonds für Diversifikation und Konversion“, durch den auch betriebliche Akteure unterstützt werden (dieser wird genutzt, zum Beispiel in Baden-Württemberg und Thüringen) so wichtig.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, liebe Freunde,
Wohlstand und Arbeitsplätze hängen in diesem Land nicht von der Rüstungsindustrie und dem Export von Waffen ab. Gesamtwirtschaftlich betrachtet, machen sie weniger als 0,3 Prozent des gesamten deutschen Exports aus. Da müssen wir uns ganz andere Sorgen machen, wenn es heute um die Digitalisierung oder Dekarbonisierung der Wirtschaft geht. Da steht viel mehr auf dem Spiel. Aber auch hier ist ein kühler Kopf im Umgang mit diesen Veränderungsprozessen und klare politische Rahmenbedingungen gefragt.
Der Weg hin zu Konversion und zu zivilen statt militärischen Gütern kann aber nur mit den Beschäftigten, nicht gegen sie entwickelt werden. Was dabei fehlt ist der entschiedene Wille der Politik, Rüstungskonversion wirklich ernsthaft zu betreiben und zu begleiten. Umso wichtiger sind Leuchtturmprojekte für regionale Konversion. Nur ein Beispiel: Das Bündnis „Jena entrüstet sich“, in dem unsere Geschäftsstelle, die IG Metall vor Ort, aktives Mitglied des Trägerkreises ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freundinnen und Freunde,
aus Sicht der IG Metall ist Konversion eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und nicht nur die Produktionsumstellung in einem Betrieb. Deshalb sind die bisher aufgelegten Fonds vor allem eins: Viel zu klein und zu begrenzt in ihrer Ausrichtung. Und wir müssen die generelle Wende zu ziviler und mitbestimmter Produktion schaffen. Das Eine ist ohne das Andere kaum möglich!
Genauso falsch wie es einerseits ist, das „Mantra der Arbeitsplätze“ in den Mittelpunkt zu stellen, wäre es, die Bedürfnisse der Beschäftigten gering zu schätzen oder sie in die Schmuddel-Ecke zu stellen. Ich bin überzeugt: Wir können die Probleme, die es auf unserer Erde gibt, nur zivil lösen. Dafür müssen wir das Militärische stoppen, und zwar überall! In den Köpfen, in den Medien und in der Politik. Und wir wollen die Konversion mit neuem Schwung nicht nur zum Thema machen, sondern auch praktisch vorantreiben.
Abrüsten statt Aufrüsten, das ist die vordringliche Aufgabe für uns alle!
Wir wollen „Sicherheit neu denken“ (war ja gestern Abend bei euch Thema) und von der militärischen zu einer zivilen Sicherheitspolitik kommen. Dann haben wir auch genug Mittel für die notwendigen Investitionen in die soziale Sicherheit und die entsprechende Infrastruktur.
Wir wissen es alle:
Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts!
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Wir bedanken uns bei Wolfgang Lemb für die Möglichkeit, seine Rede hier zu veröffentlichen.
Eine bemerkenswerte und mutige Rede, die viele gewerkschaftliche
und politische Nachahmungen bräuchte.
In der GroKo findet man dazu z.Zt. keine Nachahmer.