Wolfgang Rasten, IG Metall: Abrüstung ist das Gebot der Stunde!
Wolfgang Rasten, Geschäftsführer der IG Metall Köln-Leverkusen, redete auf der Kundgebung „Abrüsten statt Aufrüsten!“, die am 3. November 2018 in Köln stattfand. Hier ist der Wortlaut seiner Rede.
Dass sich die deutschen Regierungsverantwortlichen und die europäischen dem amerikanischen Diktat zur Erhöhung der Rüstungsausgaben beugen, ist mehr als schändlich.
Es ist unsinnig, die Ausgaben für Rüstung an einen festgelegten Prozentsatz der Wirtschaftsleistung zu koppeln.
Das 2%-Ziel der NATO bedeutet, dass Deutschland jährlich 35 Mrd. Euro mehr für Rüstung ausgeben muss – gutes Geld, das schon heute für Bildung, Soziales und für Infrastruktur fehlt.
Bedenkt man dann, dass die Kalten Krieger in Amerika wie Donald Trump, 4% einfordern, wird der Wahnsinn ins geradezu Unerträgliche gesteigert. Aufrüsten, liebe Freundinnen und Freunde, sichert nicht den Frieden, sondern führt zu einer todbringenden Rüstungsspirale.
Gerade deutsche und europäische Politiker aller Parteien, die dies fordern, handeln unverantwortlich, zynisch und menschenverachtend.
Wo bleiben die Konsequenzen aus der blutigen europäischen Geschichte des letzten Jahrhunderts?
Der 1. September als Antikriegstag gibt darauf eine Antwort; denn der Gedanke an einem derartigen Tag der Mahnung geht auf die europäische Gewerkschaftsbewegung zurück.
- Der Antikriegstag erinnert an all jene Menschen, die in den Kriegen den Blutzoll entrichtet haben, die auf den Schlachtfeldern und bei den Bombenkriegen ums Leben gekommen sind.
- Demgegenüber stehen ungestraft jene, die gemeinhin Kriege lange im Vorfeld einfädeln, um anschließend die Gewinne aus dem Todeskampf ganzer Völker zu ernten.
- Warum wird das nicht in die Bilanzierung von zusätzlicher Aufrüstung einbezogen?
- Warum werden Konsequenzen erst und nur dann gezogen, wenn sie ins Kalkül bestimmter Mächtegruppen passen?
- Warum wird die deutsche Konsequenz aus zwei vernichtenden Weltkriegen nicht als Verpflichtung für Abrüstung empfunden?
- Das in unserer Verfassung verankerte Verbot eines Angriffskrieges ist nichts mehr wert. Selbst nicht nach den Erkenntnissen eines ehemaligen deutschen Bundeskanzlers.
- Warum werden diese Bestimmungen und die einer unverrückbaren rechtstaatlichen Ordnung heute nicht mehr beachtet?
- Sind die deutschen Konsequenzen aus dem vergangenen Jahrhundert gerade noch für Gedenkreden gut – zur Benebelung des deutschen Volkes, bevor man zur Tagesordnung übergeht und sich daran beteiligt, die Rüstungsspirale wieder so richtig anzuheizen?
Rüstungsetat erhöhen, die NATO weiter in Richtung Osten voranschieben und Russland als den Feind des Weltfriedens brandmarken – das ist ihre Strategie.
Liebe Freundinnen und Freunde,
während der 18-jährigen Kanzlerschaft von Helmut Kohl habe ich fürwahr alles getan, um seine Kanzlerschaft so schnell wie möglich zu beenden, ich war nie ein Unterstützer seiner Politik – aber ich frage hier und jetzt:
Warum wird das feierliche Versprechen von Kanzler Kohl anlässlich der Wiedervereinigung Deutschlands an die Völker der Welt, nachdem vom deutschen Boden nur Frieden nur ausgehen sollte, von den nachfolgenden Bundesregierungen derart mit Füßen getreten?
Am 11. November vor 100 Jahren endete der Erste Weltkrieg; daran wird erinnert werden.
Am 1. September 2019 wird daran erinnert werden, dass vor 80 Jahren mit dem faschistischen Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg begann.
Zwangsläufig kommt dabei das Gründungsdatum des ehemaligen Verteidigungsbündnisses NATO mit dem Jahr 1949 ins Blickfeld. Die jetzige Beschlusslage der NATO, überall in den NATO-Staaten mindestens 2% des Bruttoinlandsproduktes für Rüstung auszugeben, hat aber nichts mehr mit einem Verteidigungsbündnis zu tun. Das 2%-Ziel der NATO ist die Installierung der Zündschnur, willkürliche Kriege gegen andere Länder zu führen, ob nun gegen unser Nachbarland Russland, dem Iran oder anderen Staaten, wo es wie auch immer es geopolitisch aus Sicht der Kriegsprofiteure passt.
Dieser wahnsinnigen Politik ist entschieden entgegen zu treten, deshalb stehen wir hier und fordern schnellstens eine Umkehr der Rüstungspolitik.
Die USA als „selbstlose Schutzmacht ihrer Verbündeten“ – das war die jahrzehntelange narrative Version der deutschen Qualitätsmedien zur NATO. Nun präsentiert Trump eine hohe Rechnung und lässt auf diese Weise die Potemkinsche Dörfer einstürzen. Die ehemalige „westliche Wertegemeinschaft“ ist längst zur „westlichen Tätergemeinschaft“ verkommen.
Dem liebe Freundinnen und Freunde müssen wir unsere Vision einer friedlichen, gerechten und die natürlichen Ressourcen schonende Politik entgegensetzen. Schon heute verschlingt der Rüstungsetat in Deutschland über 11% des Bundeshaushaltes, wenn man sauber bilanziert. Geld, das für Soziales, Bildung, Infrastrukturmaßnahmen und bezahlbaren Wohnraum fehlt. Die Position der deutschen Gewerkschaften sind hier klar und eindeutig:
- Konflikte lassen sich nicht mit Waffengewalt lösen.
- Wir brauchen zivile Strategien zur Friedenssicherung, die an den Ursachen von Kriegen und Konflikten ansetzen.
- Dazu gehört ein fairer Welthandel, eine gerechte Verteilung des weltweiten Reichtums sowie soziale und ökologische Entwicklungs- und Klimaschutzprojekte.
Die deutschen Gewerkschaften lehnen strategische Waffenexporte in Kriegen und Konfliktgebiete sowie an diktatorische oder autokratische Regime strikt ab. Wir fordern die Bundesregierung auf, nicht länger Staaten und Konfliktparteien mit Waffen zu versorgen, die Krieg, Gewalt und Unterdrückung als Mittel ihrer Politik verstehen. Das fordern die deutschen Gewerkschaften von allen Parteien – nicht nur von der Bundesregierung.
Liebe Freundinnen und Freunde,
bitte lasst mich als Gewerkschafter zum Problemfeld der Konversion von Rüstungsbetrieben sagen:
Angesichts einer Debatte um Aufrüstung und die Normalität von Auslandseinsätzen – ein neues, tolles Wort für Krieg -mag es anachronistisch wirken, eine aktive Konversionspolitik zu fordern. Dennoch gibt es gute Gründe für uns, auch dieses für die Gewerkschaften wichtige Feld im Auge zu behalten.
Unter Konversion wird gemeinhin eine Umwandlung von militärischen Gütern, Flächen und Produktionen in zivile Produktionsgüter verstanden. Der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) beziffert die Zahl der Arbeitsplätze auf ca. 81.000 und die im engeren Bereich der Wehrindustrie auf rund 18.000 Beschäftigte. Gemessen an den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts, etwa ein Viertel der ursprünglichen Arbeitsplätze.
Ziel ist es also, in diesen Rüstungsbetrieben neue Märkte mit zivilen Produkten zu erschließen bzw. herzustellen.
Ziel muss es aber auch sein, zu verhindern, dass aufgrund neuer Technologien Firmen auf den wehrtechnischen Markt gespült werden, die heute noch nicht als Rüstungsfirmen wahrgenommen werden.
Die deutschen Gewerkschaften, allen voran die IG Metall, fordern Konversion, um darauf hinzuweisen, dass die Verschwendung von Steuergeldern für eine Rüstungsindustrie in Deutschland doppelter Natur ist. Sowohl im Hinblick auf ihre ungeheuerliche Ineffektivität und die Unternehmensgewinne, als auch, weil fähige und innovative Mitarbeiter in den Firmen gebunden werden, die an anderer Stelle der Gesellschaft etwas Positiveres bewirken können.
Lieber viele gutbezahlte Stellen in zivilen Betrieben, als weniger hochbezahlte in der Rüstungsindustrie. Aus Sicht der IG Metall ist Konversion und Diversifizierung nicht nur ein Beitrag für Frieden und Abrüstung, sondern eigentlich für die Branche ökonomisch ohne Alternative.
Liebe Freundinnen und Freunde, Konversion und Diversifizierung sind ein anderer Begriff für
„Macht Schwerter zu Pflugscharen!“
Woran liegt es, dass dieses hohe Ziel der Friedensbewegung bis heute unverändert und scheinbar unerreichbar in weiter Ferne liegt?
- In den Rüstungsunternehmen, weil sie für ihre Produkte und Rüstungsgüter exorbitante Rendite erzielen, die mit zum Teil enormen staatlichen Subventionen vergoldet werden.
- An der Bundesregierung, weil sie mit deutschen Waffenexporten eigene außen- und wirtschaftspolitische Ziele verfolgen.
- An den viel zu geringen und demnächst vollständig wegfallenden staatlichen Fördermitteln für Konversionsprojekte.
- An den wahnsinnigen Aufrüstungsplänen der NATO.
- Am erbitterten Widerstand der Rüstungsunternehmen gegen die Mitbestimmung der Beschäftigten und Betriebsräte, über die Produktionspalette mitzubestimmen. Was, wie und wo produziert wird, muss ihrer Auffassung nach ausschließlich im Entscheidungsbereich der Eigentümer liegen, und jede Mitbestimmung wird hier als Eingriff in das unternehmerische Entscheidungsmonopol verstanden und somit strikt abgelehnt.
- An der Angst der Beschäftigten, ihre Existenzgrundlage zu verlieren.
Deshalb lautet das klare Signal der Gewerkschaften und der IG Metall:
Wir organisieren den Widerstand der gewerkschaftlichen Kräfte und friedenspolitischen AktivistInnen – gegen die ideologisch motivierte politische Blockade der Rüstungsindustrie im Zusammenhang mit der Umstellung auf zivile Produkte- im Interesse einer friedlichen Zukunft.
Fakt ist aber auch:
Konversion – „Macht Schwerter zu Pflugscharen“ – beginnt mit einer friedlichen Politik der Regierenden und nicht mit Anheizen der Rüstungsspirale. Wir fordern politische Rahmenbedingungen, die geschaffen werden müssen, damit Konversion gelingen kann. D.h. der Frieden und friedliche Konfliktlösungen müssen ganz oben auf die politische Agenda gesetzt werden. Ziel muss die Verringerung des Wehretats sein und nicht seine Ausweitung.
Politisch brauchen wir eine Abrüstungs- und keine Aufrüstungsdebatte. Deshalb haben die Delegierten des letzten Gewerkschaftstages der IG Metall beschlossen:
- Die Rüstungsausgaben deutlich zu senken.
- Jegliche direkte oder indirekte Unterstützung von Kriegen oder kriegsähnliche Handlungen zu unterlassen bzw. zu beenden.
- Keinen Krieg oder kriegsähnliche Handlungen um Rohstoffe zu führen.
- Den sofortigen Rückzug der Bundeswehr aus allen Kampfeinsätzen zu vollziehen, soweit sie nicht durch ein UN-Mandat legitimiert sind.
- Den Rüstungsexport in Krisenländer zu unterlassen und Projekte der Rüstungskonversion mit einem Konversions-Fond zu unterstützen.
Die deutsche Gewerkschaftsbewegung als Teil der Friedensbewegung sagt klar und deutlich: Es gibt kein Recht auf bewaffnete Intervention ohne UNO-Mandat, egal ob in der Ukraine, Afghanistan, Irak, Jemen, Syrien oder Afrin!
Wir brauchen nicht mehr Geld für Rüstung, für Panzer und Drohnen, für Minen und Patronen.
Wir treten ein für eine Stärkung der UNO und nicht für ihre Schwächung und innere Zerstörung.
Wir treten ein für eine allseitige Abrüstung und Senkung der Rüstungslasten.
Wir sagen Herrn Trump: Nicht Deutschland muss seinen Rüstungsetat auf 2% – also um 35 Mrd. Euro steigern – auch den amerikanischen Menschen würde es besser gehen, wenn nicht 4% der Volkswirtschaft in Rüstung und die Profite ihrer Rüstungskonzerne gehen würden, sondern in die Etats für Klimaschutz, zur Forschung und für Bildung in ein sozialeres Amerika.
Es ist geradezu unerträglich, dass in allen gewaffneten Konflikten dieser Welt sich die Gegner gegenseitig mit deutschen Waffen töten.
Kein Waffenexport von Kleinwaffen. Kein Export in Krisen- und Konfliktgebiete. Kein Export an Diktaturen.
Und es ist absurd und widersinnig, Steigerungen im Verteidigungs- und Entwicklungsetat miteinander zu verkoppeln. Waffen zerstören Krankenhäuser, Wassersysteme und Infrastrukturen – Entwicklungsgelder bauen sie wieder auf.
Das, liebe Freundinnen und Freunde, braucht kein Mensch.
Konflikte lassen sich nicht mit Waffengewalt lösen. Wir brauchen verstärkt zivile Strategien zur Friedenssicherung, die an den Ursachen von Kriegen und Konflikten ansetzen. Hierzu gehören vor allem ein fairer Welthandel, eine gerechte Verteilung des weltweiten Reichtums und soziale und ökologische Entwicklungs- und Klimaschutzprojekte.
Heute ist die Forderung der Kalten Krieger nach 2% Rüstung das zentrale Thema.
Wir versprechen hier und heute, dass die Gewerkschaften, der DGB nicht nachlassen werden, gemeinsam mit dem Friedensinitiativen, mit den Kirchen aller Konfessionen für Frieden und Abrüstung in der Welt einzutreten.
Kein Land auf dieser Welt braucht neue Feindbilder – wir brauchen keine neuen Kreuzzüge, sondern wir verlangen den internationalen Austausch, den friedlichen und fairen Handel über alle Grenzen, den Dialog, die Begegnungen der Jugend.
Es gibt kein Abendland ohne Morgenland, es gibt kein Nord ohne ein Süd – und es gibt kein Überleben auf unserem Planeten ohne Abrüstung.
Dies fordern wir hier ein.
Danke für die Aufmerksamkeit.
Wolfgang Rasten ist Geschäftsführer der IG Metall Köln-Leverkusen. Er hielt diese Rede am 3. November 2018 bei der Kundgebung „Abrüsten statt Aufrüsten!“ auf dem Wallrafplatz, Köln. Wir bedanken uns bei ihm für die Möglichkeit der Veröffentlichung.
Eine hervorragende Rede!
Angesichts dessen, daß im Bundestag gerade der Haushalt debattiert wird und dabei der Rüstungsetat („Verteidigungsetat“) als zweitgrößter Haushaltsposten (!) noch um mehr als 12 % gesteigert werden soll, wäre es wichtig, wenn diese Rede auf den Tisch jedes/r Bundestagsabgeordneten käme.
Um den Gedanken um den Kampf für Frieden und Abrüstung wieder stärker in die gewerkschaftlichen Gliederungen zu bringen, sollte die Rede zumindest an alle IGM-LaBezirks- und Ortsvorstände geleitet werden.
Emmi Menzel
50 Jahre Gew.Mitglied (Drupa-Medien-Verdi)